Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

FilmprogrammRegisseur:innen | Spielplan

 

Samstag, 06.04.
14:00 Uhr, Annenhof Kino 6

Andrea lässt sich scheiden

Spielfilm, AT 2024, DCP, 93 min, OmeU

Dass die niederösterreichische Polizistin Andrea (Birgit Minichmayr) einen Neuanfang in der Metropole Sankt Pölten wagen möchte, kann man ihr nicht verübeln. Die Männer im Ort trinken gern und viel, die Scheidung vom eigenen Mann steht an. Doch dann passiert ausgerechnet ihr dieser Unfall mit Fahrerflucht, für den sich überraschenderweise Religionslehrer Franz (Josef Hader) schuldig erklärt. Die zweite Regiearbeit von Josef Hader nach Wilde Maus erweist sich als Tragikomödie mit großem Gespür für die typisch österreichischen Seelennöte.

Niederösterreich, das Land der lustigen Kreisverkehre und der normalen Häuslbauer. Wer hier Polizistin sein will, braucht ein starkes Gemüt. Nicht nur auf der Landstraße Richtung Hollabrunn, wenn einem der Raser, mit dem man schon die Schulbank gedrückt hat, in die Radarfalle tappt, sondern auch wenn der Mann, von dem man bereits getrennt wohnt, sich auf einer Geburtstagsfeier im Dorfgasthaus volllaufen lässt. Und unbedingt will, dass man zu ihm zurückkehrt.

Andrea (Birgit Minichmayr) hat zwar glücklicherweise ein starkes Gemüt, aber auch einen schweren Stand. Egal wo sie hinkommt, fühlt sie sich wie eine Fremde, die von den anderen auch als solche wahrgenommen wird. Das war offensichtlich nicht immer so, doch irgendwann hat sich in Andreas Leben etwas verändert. Irgendwann sind ihr die Männer, also die Jugendfreunde und die besoffenen Autofahrer, zu viel geworden. Deshalb lässt Andrea sich scheiden und als Kriminalinspektorin nach Sankt Pölten versetzen.

Sieben Jahre nach seinem Regiedebüt Wilde Maus hat Josef Hader in seinem zweiten Spielfilm seinen genauen Blick auf die österreichische Seele und ihre Befindlichkeiten noch geschärft. Andrea lässt sich scheiden ist eine Tragikomödie über eine Frau, die mit stoischem Gleichmut ein für sie längst unerträgliches Leben erträgt – bis der Zufall in Form eines Unfalls alles noch schlimmer macht. Auf der Heimfahrt von der Geburtstagsfeier des Kollegen (Thomas Schubert) steht ausgerechnet der betrunkene Andi (Thomas Stipsits), den Andrea kurz davor nicht mehr zurückhaben wollte, auf der Straße. Auf den Schock folgen Fahrerflucht und Vertuschung, viel falsches Beileid, unangenehme Besuche bei der Schwiegermutter und notwendige in der Autowerkstatt. Und als wäre das noch nicht genug, nimmt plötzlich jemand anderer die Schuld bereitwillig auf sich: Religionslehrer Franz (Josef Hader), ehemaliger Spiegeltrinker, packt schon den Koffer fürs Gefängnis.

Überleben bedeutet in diesem Film nicht, dass man auf der Landstraße nicht ums Leben kommt, sondern es bedeutet, mit der Gegenwart zurechtzukommen. Mit dem Leben im niederösterreichischen Niemandsland zwischen Lagerhäusern und Getreidefeldern. Als Frau im Wirtshaus und als Tochter neben dem starrsinnigen Vater (Branko Samarovski), bei dem man nach der Trennung vom Ehemann wieder einziehen muss. Andrea und Franz mögen unterschiedliche Überlebensstrategien entwickelt haben, doch sie teilen die Gewissheit, nicht mehr dazuzugehören.

Mit ausgeprägtem Gespür verfolgt Josef Hader die einzelnen Etappen dieser Existenzkämpfe, mal in heiterem, mal in melancholischem Tonfall. Deshalb ist dieser Film auch eine Tragikomödie im besten Sinn, weil die Traurigkeit und die Fröhlichkeit sich nicht im Weg stehen, sondern einander harmonisch ergänzen. Weil beides zum Leben dazugehört. Und zum Überleben. Und wer es nicht bis nach Sankt Pölten schafft, ist trotzdem kein Verlierer. (Michael Pekler)


Bei dieser Vorstellung wird eine Audiodeskription für blinde und sehbeeinträchtigte Menschen angeboten. 

Regie: Josef Hader
Buch: Josef Hader, Florian Kloibhofer
Darsteller:innen: Birgit Minichmayr, Josef Hader, Robert Stadlober, Thomas Schubert, Thomas Stipsits
Kamera: Carsten Thiele
Schnitt: Roland Stöttinger
Originalton: Johannes Baumann
Sounddesign: Manuel Grandpierre
Szenenbild: Christoph Kanter
Kostüm: Martina List
Produzent:innen: Michael Katz, Veit Heiduschka
Produktion: Wega Filmproduktion
Verleih in Österreich: Filmladen Filmverleih
Gefördert von: FFW – Filmfonds Wien
FISA – Filmstandort Austria
Land Niederösterreich Kultur
ORF Film/Fernseh-Abkommen
ÖFI – Österreichisches Filminstitut
Uraufführung: Berlinale Panorama 2024
Kinostart: 23.02.2024
Produktionsformat: digital

 

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