Diagonale
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Zum Kollektiv: Filmladen

Wer steht hinter dem Filmladen Filmverleih?

 

Anlässlich des 40-jährigen Jubiläums des Filmladen Filmverleihs beleuchtet die Diagonale die Frühphase einer Institution, die als Zusammenschluss von vier Persönlichkeiten des österreichischen Films begann.

 

Franz Grafl, Michael Stejskal, Josef Aichholzer, Ruth Beckermann © Diagonale/Elodie Grethen

Die Programmschiene Zur Person, mit der die Diagonale in den vergangenen Jahren markante Handschriften im österreichischen Filmschaffen beleuchtete, widmet sich in der kommenden Festivaledition erstmals den Positionen eines Kollektivs. Mit dem Filmladen steht in der zu diesem Zweck umbenannten Programmreihe – Zum Kollektiv – damit nicht nur ein für die österreichische Filmbranche wesentlicher Verleih im Fokus, sondern insbesondere auch dessen prägende Akteur/innen: die Gründungsmitglieder Josef Aichholzer, Ruth Beckermann und Franz Grafl sowie Michael Stejskal, der wenig später zur Gruppe dazustieß und bis heute dem Filmladen als Verleih vorsteht. In den 1970er-Jahren, in denen sich das Filmladen-Kollektiv formierte, konzentrierte sich die Filmkultur in Wien außer auf das Österreichische Filmmuseum auf Initiativen wie das Freie Kino, das Action Kino oder einige Filmklubs in Universitätsinstituten. Auch in Innsbruck, Graz, Linz oder Salzburg war es ähnlich. Während der Arena-Besetzung 1976 bot der Schweinestall im Schlachthof St. Marx dann einen Sommer lang die ideale Atmosphäre für ein erstes Kinoprogramm des Kollektivs. Aus diesen Aktivitäten entstand 1978 schließlich der Filmladen, der politisch relevante Filme nach Österreich brachte, um dem damaligen Konformismus der Medienlandschaft ein kraftvolles Signal entgegenzusetzen. Angelehnt an das historische Special der Diagonale’18 lässt sich entlang der Bemühungen des frühen Filmladen-Kollektivs die Frage stellen, wie internationale Film- und Kinokultur auch die Regionen abseits der Bundeshauptstadt erreichte. Während in Landkinos Filme wie Im weißen Rössl oder schlüpfrige Kost à la Perfekt in allen Stellungen liefen, bemühte sich der Filmladen um hierzulande weitgehend unbekanntes Autorenkino – lange bevor Begriffe wie Arthouse-Kino aufkamen. Als Verleiher/innen wie als Filmemacher/innen erwiesen sich die drei Gründungsmitglieder und der später dazugestoßene Stejskal bei all ihren Aktivitäten stets als idealistisch und politisch wachsam – und trugen ohne Zweifel zur Politisierung der österreichischen Kinoszene bei. Nicht umsonst wurde das Angebot vor allem von Filmklubs, katholischen und linken Eine-Welt-Gruppen, Friedensaktivist/innen, Gewerkschaften, Frauen- und Anti-AKW-Gruppen wahrgenommen.

Resümiert werden kann außerdem, dass, obwohl die Filme aus der Anfangszeit des Filmladens 2018 manchmal ästhetisch in die Jahre gekommen erscheinen, sie jedoch oftmals Themen verhandeln, die heute so aktuell sind wie damals: In Herbert Bibermans Film Salt of the Earth (Salz der Erde, US 1954) sagt etwa die Frau zum Mann, der seine Hand gerade zum Schlag gegen sie erhebt: „Das wäre der alte Weg. Versuch es nie mehr wieder. – Schlaf, wo immer du willst.“ – Programmatisch und nicht zufällig der erste Film im Angebot des Filmladens. Wie viele der gezeigten Arbeiten ist auch Salt of the Earth eine Wiederentdeckung, die Aufführung im Kino eine tatsächliche Besonderheit und eine rare Gelegenheit, Filme wie diesen auf der Leinwand zu sehen.

 

Salt of the Earth © The Film Detective

Neben diesem werden bei der Diagonale’18 in einem internationalen Programm die Werke Auf amol a Streik (AT 1978) von Josef Aichholzer und Ruth Beckermann, Malambo (AT 1986) von Milan Dor, Flaschenkinder (DE 1975) von Peter Krieg, Mababangong Bangungot (Der parfümierte Albtraum, DE/PH 1977) von Kidlat Tahimik und Mourir à tue-tête (Schrei aus der Stille, CA 1978) von Anne Claire Poirier zu sehen sein.

Mababangong Bangungot erzählt die Geschichte des jungen Mannes Kidlat, der mit seiner Mutter in einem Dorf auf den Philippinen wohnt und davon träumt, nach Amerika zu gehen. Eines Tages scheinen sich Kidlats Träume zu verwirklichen. Ein Amerikaner nimmt ihn zunächst auf eine lange Reise nach Europa mit, wo er – konfrontiert mit einer technokratisch-kalten Industriegesellschaft – damit beginnt, seine früheren Träume infrage zu stellen.

Flaschenkinder thematisiert das Problem und die Folgen der Verbreitung künstlicher Babynahrung in Afrika durch den Konzern Nestlé. „Das Thema kam Ende der 1970er-Jahre im Fernsehen nicht vor“, so Franz Grafl, der den Film als typischen Flugblattfilm tituliert: „Er informiert. Aber sein Kommentar bemüht sich nicht um Objektivität, die es im Journalismus sowieso nie geben kann.“ Im Rahmen der Reihe Diagonale im Dialog lädt Michael Loebenstein (Direktor Österreichisches Filmmuseum) im Anschluss an die Vorführung des Kurzfilms zum ausgedehnten Gespräch mit dem Filmladen-Kollektiv.

Malambo porträtiert eine liebenswerte Gemeinschaft von „Wolkenschiebern“ und „Luftschlossbauern“, die von einem anderen Leben träumen: „Mit diesem Film wird unser Interesse am neuen österreichischen Film geweckt“, erinnert sich Grafl. Der vom damaligen ORF-Intendanten Gerd Bacher salopp geäußerten Behauptung: „Der österreichische Film findet im ORF statt“, wurde das vitale und beeindruckende Erlebnis eines Kinobesuchs entgegengesetzt, für das große Teile des Teams auf ihre Gage verzichtet hatten.

Ein weiteres Programm positioniert zwei Streikfilme zueinander: In Salt of the Earth kämpfen mexikanische Minenarbeiter für die gleichen Rechte wie ihre amerikanischen Kollegen, während Auf amol a Streik den einzigen mehr als dreiwöchigen Streik Österreichs seit Kriegsende, jenen in der Reifenfabrik Semperit in Traiskirchen im Mai 1978, dokumentiert.

Mourir à tue-tête schließlich zeigt die Geschichte einer brutalen Vergewaltigung und ihrer Folgen bis hin zum Selbstmord einer Frau. Durch eingeblendete Dokumentaraufnahmen bleibt der Film nicht auf das individuelle Schicksal Suzannes beschränkt, sondern stellt den Bezug zu anderen, gesellschaftlichen Formen der Unterdrückung von Frauen her. Ein maßgeblicher Film in der Kampagne der damaligen Frauenstaatssekretärin Johanna Dohnal für die spätere Gründung der Gleichbehandlungsstelle.

Preview
Als roter Faden zwischen Wettbewerb, historischem Special und der Reihe Zum Kollektiv präsentiert die Diagonale’18 Sürü (Sürü (Die Herde), TR 1978) von Regisseur Yılmaz Güney. Der Film läuft in Referenz zum Dokumentarfilm-Wettbewerbsbeitrag Die Legende vom hässlichen König (AT 2017) von Hüseyin Tabak über den kurdisch-türkischen Schauspieler, Autor und Regisseur Güney und fand sich zudem im Portfolio des Filmladen Filmverleihs.

 

 

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