Diagonale
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INLAND
Dokumentarfilm, AT 2019, Farbe, 95 min., OmeU
Diagonale 2019

Regie, Buch: Ulli Gladik
Kamera: Judith Benedikt, Elke Groen, Ulli Gladik
Schnitt: Gerhard Daurer
Originalton: Gerd Jochum, Eva Hausberger
Sounddesign: Andi Pils
Weitere Credits: Dramaturgische Beratung: Karin Berger Farbkorrektur: Florian Hirschmann
Produzent:innen: Ulli Gladik
Produktion: Ulli Gladik

 

„Eine Politik für Österreich“, „Fairness“, „Wir sorgen für Sicherheit“ – Wahlslogans, die eine Rückkehr zu vergangener Moral verheißen, zieren die Stadt Wien vor den österreichischen Nationalratswahlen 2017. Das Misstrauen gegenüber vermeintlichen politischen Eliten gepaart mit populistischen Versprechungen polarisiert die Gesellschaft. INLAND gibt intime Einblicke in die Leben seiner Protagonist/ innen und zeichnet so ein Sittenbild ihrer Ängste und Hoffnungen in komplexen Zeiten.

„Fairness“, „Sicherheit“, „Arbeit, die sich lohnen muss“ – Wien vor der Nationalratswahl 2017. In einem Ottakringer Lokal unterhält sich Kellnerin Gitti mit Stammgästen über den anstehenden Urnengang. Aus einfachen Verhältnissen kommend und ursprünglich im „Roten Wien“ sozialisiert, ziehen sie dieses Mal doch die Wahl einer anderen Partei vor. Die Angst vor dem Verlust der wohlfahrtsstaatlichen Errungenschaften sitzt tief in dieser Generation, die kurz vor ihrer Pensionierung steht. Während der historische Nimbus der Sozialdemokratie schwindet, muss die Partei seit einigen Jahren vor allem in den traditionellen Arbeiterbezirken in Wien vermehrt Verluste und eine altersbedingte Erosion ihrer Stammwählerschaft verzeichnen.
Andernorts wünscht sich Christian eine Politik „im wahrsten Sinne des Wortes für Österreich“. Der Beamte kam selbst als Kind von „Ziegelböhmen“ auf die Welt und erlebte rassistische Diskriminierung. Nun blickt er skeptisch auf seinen Heimatbezirk Favoriten und die Veränderungen in seiner vertrauten Umgebung. Alexander hingegen ist ein überzeugter Rechtswähler, will gar „einen Bürgeraufstand gegen die Ausländer“. Das Misstrauen gegenüber den politischen Eliten, gepaart mit populistischen Versprechen, polarisiert die Gesellschaft. Tabularasa- Fantasien und der Ruf nach Veränderung, gar nach einer radikalen Wende scheinen vielerorts mehr und mehr verheißungsvoll. Was jedoch vor der Wahl noch in glühender Hoffnung artikuliert wird, sieht nach der Wahl schon wieder anders aus.
Ulli Gladik begleitet ihre Protagonist/innen in ihrem beruflichen Alltag und im privaten Umfeld und erhält intime Einblicke in ihr politisches Weltbild. Immer wieder bringt sich die Filmemacherin dabei auch mit ihrer eigenen Meinung ein, und es wird deutlich, wie fern die jeweiligen Lebensrealitäten einander sind. Annäherung gibt es, wenn klar wird, dass sich die komplexen und abstrakt gewordenen politischen Verhältnisse und die Opposition zu „denen da oben“ nicht mehr nur in eindeutigen ideologischen Überzeugungen fassen lassen. Die letzte demokratische Freiheit wird zunehmend im Protest gesucht. Dieses intime Sittenbild erzählt schließlich auch von der Sehnsucht nach menschlicher Zugehörigkeit im Gegensatz zu einer Politik, die auf den Rücken der Schwächsten ausgefochten wird und diese gegeneinander instrumentalisiert. INLAND ist ein Film der Ambivalenzen, in denen sich subjektives Empfinden und Stammtischmeinung nicht zwingend mit realpolitischen Entwicklungen decken, jedoch die Wirkmacht einer Politik der Gefühle deutlich wird.
(katalogtext, mh)

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