Introduzione all'oscuro
Dokumentarfilm, AR/AT 2018, Farbe, 71 min., eOmdU
Diagonale 2019
Regie, Buch: Gastón Solnicki
Darsteller:innen: Han-Gyeol Lin
Alexandra Prodaniuc
Karin Krank
Gastón Solnicki
Ka-Ming Man
Walter Bergman
Alan Segal
Kamera: Rui Poças
Schnitt: Alan Segal
Originalton: Alan Segal
Musik: Salvatore Sciarrino
Sounddesign: Jason Candler
Produktion: KGP Filmproduktion
Koproduktion: Rei Cine (AR)
— Spektrum: Out of Competition
„After the death of my most flamboyant
friend, I travelled to Vienna
in the midst of manic grief.“ Ein
Film über den Tod, die Freundschaft,
Wien, Trauer und natürlich
das Kino. Von einem Filmemacher
über einen Cineasten. Mehr als ein
Nachruf oder ein Porträt, eher eine
Spurensuche entlang der realen,
materiellen Dinge, die den langjährigen
Viennale-Leiter Hans Hurch
(1952–2017) umgaben.
„After the death of my most flamboyant friend,
I travelled to Vienna in the midst of manic grief.“ So
eröffnet der argentinische Regisseur Gastón Solnicki
seinen Film. Tod, Freundschaft, Wien, Trauer –
damit sind auch schon die Parameter aufgespannt,
innerhalb derer dieser Film über den langjährigen
Viennale-Leiter Hans Hurch sich bewegen wird.
Nicht einfach nur ein filmischer Nachruf, schon gar
nicht ein klassisches Porträt, in dem Freund/innen,
Weggefährt/innen, Kolleg/innen zu Wort kommen
und Erinnerungen, gewitzte Anekdoten versammeln,
Einschätzungen abgeben. Der einzige Freund, der
hier in Bildern über Hurch nachdenkt, ihm nachspürt,
ist Solnicki selbst.
Die erste Einstellung zeigt das Kettenkarussell
im Wiener Wurstelprater in einer langsamen,
aber definitiven Abwärtsbewegung, vom Himmel
zurück auf den Boden der Tatsachen, zurück in die
materielle Welt der Dinge und Orte, denen Solnicki
eine Ordnung gibt, die die Person Hurch zum Vorschein
bringt. Es ist Wien im November, zur Zeit der
Viennale, meist neblig verhangen, im Prater, bei der
Bankzentrale von Otto Wagner im ersten Bezirk, in
irgendeiner x-beliebigen Straße mit einer Hofer-Filiale.
Den Ohren der Stadt und des Cineasten geht der
Film im Klangforum oder beim Klavierbauer nach,
Fragmente von Schönberg blitzen immer wieder auf
der Tonspur auf. Essen bei Trześniewski, Kaffee im
Café Engländer, Bier in der Bar des Hotel InterContinental,
Süßes bei der Konfiserie Altmann & Kühne.
Und überall etwas mitgehen lassen, das der Film
dann wie museale Objekte oder vielleicht sogar Reliquien
visuell herauslöst, ein wenig auch sakralisiert.
All das und die Augen ergeben das Gesamtsensorium
des Kinos, und natürlich besucht der Film auch
das Gartenbaukino und das Stadtkino, zwei zentrale
Orte der Viennale.
Der Filmemacher ist oft selbst im Bild zu sehen,
ein wenig augenzwinkernd und doch auch immer
sichtlich involviert. Auf der Tonspur spricht Hurch
dann und wann wie ein Geist zu ihm, scheint Vorschläge
zu machen, wie man den Film dramaturgisch
bauen müsse, reflektiert über die Ethik des Kinos,
denkt über die Geschichte Wiens, das Judentum, das
Ineinander von Vergangenheit und Gegenwart nach,
alles Themen, die auch in den Filmen von Jean-Marie
Straub und Danièle Huillet eine Rolle spielen. Den
beiden war Hurch in besonderer Weise verbunden,
und ihr Antigone (1991) findet auf der Leinwand des
Stadtkino seinen Weg in den Film. In regelmäßigen
Abständen tauchen andere Bilder auf, die Hurch und
Solnicki verbanden: jene auf den Postkarten, die der
Cineast dem Filmemacher schrieb. Auf der Rückseite
seine Handschrift, gefilmt mit dem zutiefst persönlichen
caméra stylo des Filmemachers.
(Katalogtext, ab)