Heimweh
Dokumentarfilm, AT 2017, Farbe, 80 min., OmeU
Diagonale 2018
Regie, Buch: Ervin Tahirović
Kamera: David Lindinger
Schnitt: Roland Stöttinger
Produzent:innen: Florian Brüning, Thomas Herberth
Produktion: Horse&Fruits
Wenn Ervin Tahirović von Foča
träumt, dann sieht er Bilder einer
Stadt, die es so nicht mehr gibt,
trifft Verwandte, die nicht mehr dort
leben. Mehr als zwanzig Jahre nach
dem Bosnienkrieg reist er zurück
in die verlorene Heimat. Heimweh zeichnet die Fassungslosigkeit einer
Flucht nach und erzählt dabei von
der Aufarbeitung einer persönlichen
Geschichte.
Wenn Ervin Tahirović von Foča träumt, dann
sieht er vor seinem inneren Auge Bilder einer Stadt,
die es so nicht mehr gibt, und trifft Verwandte, die
dort nicht mehr leben. Nach mehr als zwanzig Jahren
reist der Filmemacher in die verlorene Heimat,
aus der er damals als Kind mit Eltern und Bruder
während des Bosnienkrieges fliehen musste. Nach
der Teilung des Landes fiel Foča nicht der Föderation
zu, sondern der Serbischen Republik. In der für Jahre
umbenannten „Stadt der Serben“ waren Bosniak/
innen nicht mehr willkommen, und die Rückkehr
der Familie war somit hinfällig.
Von der Kamera begleitet begibt sich Tahirović
zurück
an die vertrauten Plätze, gräbt nach verblassten
Kindheitserinnerungen und bewegt sich
zugleich als Fremder durch die Stadt, deren Gerüche
und Geräusche
ihn im Schlaf heimsuchen: Umgeben
von den Spuren der Vergangenheit versucht
der Filmemacher, das heutige Zusammenleben in
Foča zu verstehen.
Er zeichnet die Geschichte seiner
Flucht nach und sucht damalige Zwischenstationen
auf, die in der von Wäldern umgebenen Gebirgsregion
teils nur noch als Ruinen existieren. Dabei
begegnet er Verwandten
und Menschen, die seine
Familie
beherbergt hatten. Dagebliebenen, die von
schmerzlichen Verlusten erzählen und aufgewühlt
von traumatischen
Erinnerungen an den Krieg ratlos
verstummen.
Konfrontiert mit aufkommenden Ängsten des
eigenen
verdrängten Kriegstraumas teilt Tahirović
seine Gedanken über einen Off-Text, der sich wie eine
rahmende Folie über die Bilder legt. Eine „Selbstfindungsreise“,
so beschreibt es der Vorspann. Heimweh
erzählt entlang einer persönlichen Geschichte
von Aufarbeitung – ein Prozess, der dem Film selbst
innewohnt.
(Katalogtext, jk)
Dieser Film ist die Wiederentdeckung meiner
verdrängten und schmerzhaften Vergangenheit. Er
ist eine Selbsttherapie durch künstlerische Aufarbeitung
eines Teils meiner Biografie, zu dem ich keine
Gefühle mehr hatte. Er ist die Wiederfindung meiner
Seele, die ich wegen zu viel Schmerz und Überforderung
aufgeben musste, damit ich überleben kann. Er
ist eine Versöhnung mit der Vergangenheit und die
Wiederverbindung zu den Wurzeln, die mir vor langer
Zeit in meiner Kindheit gewaltsam ausgerissen
wurden.
(Ervin Tahirović)