Atelier de Conversation
Dokumentarfilm, AT/FR/LI 2017, Farbe, 70 min., OmeU
Diagonale 2017
Regie, Buch: Bernhard Braunstein
Kamera: Adrien Lecouturier
Schnitt: Roland Stöttinger
Originalton: Nicolas Joly, Clément Maléo, Alexandre Andrillon, Philippe Schillinger
Musik: Lucile Chaufour
Sounddesign: Nicolas Joly
Weitere Credits:
Farbkorrektur: Dimitri Aschwanden
Produzent:innen: Bernhard Braunstein, Dominik Tschütscher
Produktion: schaller08
Koproduktion: Supersonicglide
In einer der größten Bibliotheken
von Paris treffen sich wöchentlich
Menschen aus allen Erdteilen, um
im „Atelier de Conversation“ Französisch
zu sprechen. So verschieden
die Teilnehmer/innen auch sind,
sie haben ein gemeinsames Ziel:
die Sprache zu lernen und in Paris
anzukommen. Ein Film über einen
hoffnungsvollen Ort, an dem soziale
und kulturelle Grenzen aufgelöst
werden, an dem der Einsamkeit in
der Fremde widersprochen wird: „Tu
n’es pas seul.“
„Tu n’es pas seul“ – du bist nicht allein. In der Bibliothek
des Centre Pompidou, einer der größten der
Stadt Paris, treffen sich wöchentlich Menschen aus
allen Erdteilen, um Französisch zu sprechen, sich
auszutauschen. Die Regeln sind einfach: eineinhalb
Stunden Diskussion, ausschließlich auf Französisch.
Die Teilnehmer/innen sind so verschieden, wie es nur
sein kann – Frauen und Männer unterschiedlicher
Herkunft und Sprache mit auseinandergehenden
Meinungen und Einstellungen. Neben Kriegsflüchtlingen
sitzen Geschäftsmänner, neben unbekümmerten
Student/innen politisch Verfolgte. Und doch
einen sie gewisse Dinge: Sie alle wollen Französisch
lernen und sich in Paris einleben, sie wollen ankommen,
sich nicht mehr fremd fühlen. Viele kämpfen
mit Einsamkeit, Sprachbarrieren, Heimweh.
Im Atelier, diesem kleinen, hoffnungsvollen
Raum, der wie ein leicht klaustrophobisch anmutender
safe space aus Glas inmitten der riesigen Bibliothek
platziert ist, wird über die ganz großen Themen
geredet – Politik, Heimat, Identität, Nationalität und
die Liebe: „Qu’est-ce que c’est, l’amour?“ Zur Sprache
kommen Klischees bezogen auf Gender und
Herkunft, die Wirtschaftskrise, den Krieg. Während
die Gespräche viel über die einzelnen Teilnehmer/
innen erzählen, kochen die Emotionen hoch: Mit
Momenten des Bonding zwischen den Teilnehmer/
innen, gemeinsam gespendetem Trost, Gelächter,
provokanten Äußerungen und Streitereien ist die
Emotionspalette so vielfältig wie die Persönlichkeiten,
die hier aufeinandertreffen. Das „Atelier de Conversation“
ist ein Ort, an dem soziale und kulturelle
Grenzen aufgelöst werden und Menschen, die sonst
wahrscheinlich niemals miteinander in Berührung
kommen würden, sich auf Augenhöhe begegnen.
Die halbnahen Einstellungen fokussieren ihre
Gesichter, ihre Mimik und Gestik. Die Blicke der
Zuhörenden sprechen Bände, erzählen von eigenen
Erinnerungen und Gefühlen, an die die Worte
der gerade Sprechenden rühren. Abgekoppelt von
ihrem neuen, eigentlichen Lebensumfeld – der Stadt
Paris – etabliert sich ein konzentrierter Raum des
Austauschs, der den leeren Hallen des Centre Pompidou
in der Abendzeit sowie dem anonymen Treiben
der pulsierenden Stadt Paris gegenübergestellt wird.
Nach eineinhalb Stunden leert sich auch der kleine
Glaskobel wieder. Zurück bleibt ein Sesselkreis
aus roten Plastikstühlen, der auf die nächste Woche
wartet, auf neue französische Vokabeln, Phrasen und
Anekdoten. „Ça va aller“ – das wird schon werden.
(Katalogtext, az)