Die Welt dreht sich verkehrt
AT 1947, Schwarzweiß, 89 min.
Diagonale 2016
Regie: Johannes Alexander Hübler-Kahla
Buch: Kurt Nachmann, Johannes Alexander Hübler-Kahla
Darsteller:innen: Hans Moser, Josef Meinrad, Alfred Gerasch, Marianne Schönauer, Karl Skraup u. a.
Kamera: Anton Pucher
Musik: Willy Schmidt-Gentner
Produktion: Österreichische Wochenschau- und Filmproduktion
Koproduktion: J. A. Hübler-Kahla & Co. Filmproduktion
Ein kinematografisches Geschichtslabor,
ein launisch-heiterer
Spaziergang durch vergangene
Epochen, der viel über das offiziöse
Selbstverständnis Österreichs in
der unmittelbaren Nachkriegszeit
verrät. Die Geschichtsverklärung
erfährt ihre programmatische
Zuspitzung in der Hauptfigur Franz
Xaver Pomeisl (natürlich Hans
Moser!), der melancholische Reisen
zurück in (vermeintlich) bessere
Zeiten unternimmt.
Franz Xaver Pomeisl, ein alternder Wiener Angestellter,
trauert bei einer Silvesterfeier der „guten
alten Zeit“ nach und versetzt sich beim Trinken in
eine traumwandlerische Stimmung. Mithilfe eines
Zauberrings meint er plötzlich verschiedene Epochen
der Vergangenheit – Wien im Jahr 1815 zur Zeit
des Wiener Kongresses, unter der Türkenherrschaft
1683, schließlich gar als Vindobona zur Römerzeit,
173 n. Chr. – bereisen zu können, doch die Erinnerung
an paradiesische Friedensidyllen entlarvt sich
als trügerisch.
(Arno Russegger)
Die Welt dreht sich verkehrt ist eine österreichische
Verfremdung. In einer absolut künstlichen
Studiowelt wird die Geschichte des Landes zur
eskapistischen Traumkulisse zurechtgefilmt, zu
einer schillernden Projektionsfläche für Fluchten
aus der bitteren Wirklichkeit. Die Geschichtsverklärung
erfährt ihre programmatische Zuspitzung in
der Hauptfigur Franz Xaver Pomeisl (natürlich Hans
Moser!), der melancholische Reisen zurück in (vermeintlich)
bessere Zeiten unternimmt. Pomeisls
Grundhaltung ist der Weltschmerz, nach ein paar
Vierteln Wein scheinen ihm selbst vergangene Kriege
noch besser als das bombenzerstörte Wien des
Jahres 1946. Doch die Erinnerung ist trügerisch,
Hans Mosers tour d’horizon durch Epochen österreichischer
Zeitgeschichte geht mit zahlreichen Rollenwechseln
und Identitätsverlusten einher. Bereits
in der ersten Episode (Wiener Kongress) wird er als
kleiner Beamter mit einem Fürsten verwechselt und
changiert in dieser Doppelrolle zwischen Herrschaft
und Untertan. Die Welt dreht sich verkehrt ist aufgeladen
mit solchen Geschichtstravestien und ironischen
Brechungen des Gewesenen, augenzwinkernd
wird behauptet: Geschichte ist das, was vielleicht so
gar nicht war – und möglicherweise war alles nur ein
böser Traum.
(Ernst Kieninger)