Fragments of Kubelka
Dokumentarfilm, AT 2012, Farbe+SW, 232 min., eOF
Diagonale 2013
Regie, Buch, Kamera, Originalton: Martina Kudláček
Darsteller:innen: mit: Peter Kubelka
Schnitt: Henry Hills
Produzent:innen: Martina Kudláček
Das Schaffen des österreichischen Avantgarde-Filmemachers, Theoretikers und Kinovisionärs Peter Kubelka ist in seiner Vielschichtigkeit kaum fassbar. So behält auch Martina Kudláčeks filmische Annäherung – konzeptuell und titelgebend – fragmentarischen Charakter. Ausufernd aber nicht erschöpfend führt Kubelka darin durch Werk und Leidenschaften. Mit Archivalien und Filmausschnitten verschränkt, entfaltet sich ein ebenenreiches Diorama: die Gedankenwelt eines passionierten Vielkönners.
Katalogtext Diagonale 2013:
Der Großkünstler Peter Kubelka (geboren 1934 in Wien) und wie er ein Monument nicht nur für sich, sondern auch für die schwindende Ära des analogen Kinos schafft: Fast vier Stunden begleitet Fragments of Kubelka den Filmemacher, wie er sein Werk, sein Leben, ja das Sensorium einer körperlich angelegten Weltumarmung erläutert. Wie er in einem nahtlos anmutenden Monolog einen weiten, sinnlichen Bogen spannt von seinen künstlerischen Anfängen in den 1950er-Jahren bis hin zu den wiederkehrenden Lieblingsthemen des Kochens, der Metrik und der Zeit, der Sprache und Metaphorik der Dingwelt.
Über einen langen Zeitraum hat Martina Kudláček den Grandseigneur des österreichischen (und internationalen) Avantgardefilms beim Philosophieren beobachtet – mit seiner Objektsammlung hantierend, in seiner Küche sitzend, kochend und essend, oder bei Vorträgen, die sich eins zu eins in den einnehmenden, oft in Refrains mündenden und stellenweise auch ein wenig vor den Kopf stoßenden Sermon fügen. Wobei Kubelka mit seinem fast immer unsichtbar bleibenden Gegenüber all das zu teilen versucht, was für ihn die Kunst im Innersten zusammenhält.
Ausgehend von der ersten metrischen Arbeit Adebar (1957) führt Fragments of Kubelka in die haptisch verfasste Denkwelt des Künstlers ein – Themen, Variationen und Improvisationen mit geradezu musikalischer Bravour modulierend. Ganze vier Mal kommt während der 233 Minuten jemand anderer als der Meister selbst zu Wort, stets unterstützend und dessen Ansatz bekräftigend – komprimierte Echos zu einem weltumspannenden Akkord von maximaler Resonanz. Für knappe, preziöse Momente dürfen Archivalien wie ein Auftritt im US-Fernsehen oder eine Kochshow und Tagebuchskizzen von Jonas Mekas den maßvoll wogenden Denkfluss unterbrechen. Und so strömt, verzweigt und sammelt sich das Wort des Künstlers, „zeitelnd“ und metaphorisierend – so wie es das Werk Kubelkas exemplarisch vorgeführt hat und paradoxerweise auch angesichts stundenlanger Ausführungen nicht in einer erschöpfenden Totalität aufgehen will, sondern offen bleibt. (Christian Höller)