Diagonale
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New News from Another Home
Innovatives Kino, AT/BG 2024, Farbe, 87 min., OmeU
Diagonale 2024

Regie, Schnitt: Borjana Ventzislavova
Kamera: Lauretta Prevost
Originalton: Veselin Zografov; Tonaufnahmen: Neal Seidman
Weitere Credits: Zusätzliche Kamera: Borjana Ventzislavova, Zack Khalil
Produzent:innen: Borjana Ventzislavova

 

Eine Verbeugung vor Chantal Akermans News from Home von 1976, in dem Akerman zu Aufnahmen aus New York Briefe ihrer Mutter verliest. Borjana Ventzislavova begibt sich in der Metropole auf einen persönlichen Parcours durch das verehrte Werk. Sie sucht Originalschauplätze auf und liest Nachrichten der eigenen Mutter vor. Es geht um das Wetter, gesundheitliche Probleme, den Alltag in Bulgarien. Gleichzeitig macht die Filmemacherin die ökonomischen und gesellschaftlichen Veränderungen der letzten 50 Jahre sichtbar.

Borjana Ventzislavovas New News from Another Home beginnt, wo Chantal Akermans News from Home von 1976 endet: auf der Staten Island Ferry, die bei Akerman von Manhattan ab- und bei Ventzislavova dort wieder anlegt. Mitte der Siebzigerjahre, kurz nach Jeanne Dielman, filmte Akerman in den sommerlichen Straßen und U-Bahnen der Stadt und unterlegte die Einstellungen mit von ihr selbst eingesprochenen Briefen ihrer Mutter, die diese ihr während eines früheren New-York-Aufenthalts aus Belgien nach Amerika geschickt hatte. Knapp 50 Jahre später sucht Ventzislavova die Originalschauplätze auf, ebenfalls im Sommer, wiederholt Kamerablickwinkel und -bewegungen und verliest dazu E-Mails ihrer eigenen Mutter aus einer „anderen“ Heimat, Bulgarien. Wie bei Akerman sehen wir die Protagonistinnen nie. Die Mutter ist nur durch die Stimme der Tochter präsent, diese durch die Briefe der Mutter.

Die Differenzen zwischen den Filmen stechen dennoch ins Auge. Das dreckige New York der Siebziger ist einer aufgeräumten, reichen und teuren Megacity gewichen. Die digitalen Bilder fließen flüssiger dahin als die Filmaufnahmen von Akerman und Babette Mangolte, ebenso die Briefe der Mutter: Bei Akerman vergingen zwischen den Sendungen Wochen, die Mutter hielt die Tochter zum regelmäßigeren Zurückschreiben an. Dank der elektronischen Kommunikation reißt der Kontakt bei Ventzislavova nie ab, die Mutter kann weiter ausholen, erzählt nicht nur von Gesundheitsproblemen und vom Alltag, sondern auch ihre Lebensgeschichte. Währenddessen ist in den Bildern und Briefen unsere Gegenwart allgegenwärtig: von Covid-Testzelten und Ukraine-Symbolen über Demonstrationen für das Recht auf Abtreibung bis hin zu klimawandelbedingten Hitzewellen.

Gerade indem Ventzislavovas Hommage so nah am Original bleibt, liefert der Film Neuigkeiten darüber, was sich seit 1976 geändert hat, im Kino, in der Kommunikation und in der Welt. Und er demonstriert ein faszinierendes Paradox: Das Remake eines persönlichen Films ist unmöglich und damit ebenso persönlich und singulär wie das Vorbild. Für jene, die News from Home kennen, hält das Ende eine Überraschung bereit, als würde Ventzislavova Akermans Schlusseinstellung umkehren, den alten Film zurückspulen, vor das geliebte Referenzwerk zurückgehen. Alle anderen sollten spätestens jetzt Lust haben, Akermans Film zu entdecken, während sie die Skyline von New York bewundern, die hier so orange-golden funkelt wie noch nie. (Philipp Stadelmaier)

Gemeinsam mit home レス / ホーム less von Elsa Okazaki.

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