Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

Diagonale Webnotiz 10/2012

von Matthias Zuder

 

Matthias Zuder, Filmemacher mit steirischen Wurzeln, präsentierte seinen Kurzfilm Ausgleich bei der Diagonale 2012. Dieser Film wird auch im Zuge der dox & shorts zwischen 15. und 19. Oktober gezeigt.

magic is sometimes very close to nothing at all

ich sage dir gleich zu beginn: du warst nicht meine erste liebe und ich kann auch nicht garantieren, dass du meine letzte sein wirst …

ich hätte bäcker werden können. oder mit der waffe dauerhaft beim heer dienen. sexhefte verkaufen. politiker sein. oder die firma meines vaters übernehmen. ich habe mich für dich entschieden. ich habe das damals nicht gewusst, aber es war so. es gehört zu den dingen, die ich nicht wirklich steuern konnte. ich hab’ mich von dir verzahn lassen.

du hast mich vom ersten moment an in unangenehme situationen gebracht. auch schon in der zeit, als wir noch nicht per du waren. streitgespräche und zwiespälte bei einspännern in den kaffeehäusern der welt. straßen mit abschleppdiensten leergefegt, autos in die luft gejagt und männer in den himmel geschossen. ich habe für dich ganze baustellen zum schweigen gebracht. ich habe mich mit dir in wilder abwechslung durch glück und wut gewälzt. es wurde vieles wegen dir ausgesprochen. ich bin mit dir an den rand des möglichen gekommen.

ich bin für dich über die grenze gegangen. habe den lebensumstand geändert. ich bin wegen dir von a nach b und an all die anderen orte gezogen, mit körper und geist, die ich sonst wohl nicht gesehen, und wenn doch, nie so betrachtet hätte. ich habe nach und nach erkannt, dass dich die meisten nur im fertigen make-up mögen. ganz einfach, weil sie dich nicht anders kennen. trotzdem bin ich mit dir von anfang an hausieren gegangen. ich habe für dich nicht nur einmal die sachen ins feuer gelegt. sich mit den leuten über dich zu streiten hat mir irgendwie spaß gemacht. wir sind uns begegnet.

ich habe für dich gekämpft. weil ich mich so brutal verschossen hab’ in dich. weil ich dich so sehr wollte. ich kann mich noch gut erinnern, als ich vor jahren wegen dir bei der filmhochschule zur aufnahmeprüfung stand. als mich die hohen herrendamen gefragt haben, warum ich der richtige für dich bin … die hosen unten, und ich dich noch nicht so gut kannte. ich hab ihnen etwas geantwortet. später hat man dich dort in physik und psychologie zerlegt. ich war so was von enttäuscht. ich wollte das nicht so zerteilt wissen, ich wollte: dass du mir ganz bleibst. man hat uns oft geprüft. als ich dich dann einmal in der u-bahn drehen wollte und sie mich in ganz deutschland zuerst nicht gelassen haben; als sie mir ins gesicht gesagt haben: „das tut uns leid. im film darf man halt oft die dinge nicht so zeigen, wie sie sind.“

wahrheiten sind austauschbar. als gschropp habe ich mit meinen heterochromen kinderaugen den disneyfilm aladdin gesehen und deine magie hat sofort und unbarmherzig gewirkt. ich habe mich damals so seriös in die figur der prinzessin jasmin verliebt, dass mich nichts mehr halten konnte. obwohl ich wusste, dass es kompletter schwachsinn ist, dass man als kind keine beziehung zu dieser zeichentrickfrau wird führen können.

ich werde nicht aufhören – zeit und erfahrung haben sich manchmal stark an dir vergriffen. nüchtern betrachtet bestehst du aus idee, technik, organisation und kommunikation. das klingt so unromantisch. aber, das muss man hier schon noch schreiben: unter allem, was dich betraf, hat am ende und unter all den postersätzen noch immer „ich liebe dich“ gestanden. ich werde mich nicht in fahnenflucht üben. dafür ist mir die zeit zu schade. ein leben dauert halt nicht lange. da bist du besser aufgestellt.

 

 

Die Diagonale-Webnotizen wurden von 2010 bis 2015 von der BAWAG P.S.K. unterstützt.

Der Standard ist Medienpartner der Diagonale-Webnotizen.
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