Diagonale
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Diagonale Webnotiz 8/2014

von David Krems

 

David Krems lebt in Wien. Er ist Filmemacher, Medienarchivar und Lehrbeauftragter am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Uni Wien. Sein Film Yo no veo crisis wurde bei der Diagonale 2014 gezeigt.

Über geheime Ängste, knifflige Fragen und „richtige“ Filme ....

Darüber, wie es für einen Filmemacher ist, seine Filme vor Publikum zu zeigen, soll es in dieser Webnotiz gehen. Eine Frage, die notwendigerweise auf Befindlichkeiten abzielt, denn mit der filmischen Arbeit selbst hat das ja nichts mehr zu tun. Der Film ist längst auf Band, Scheibe, Festplatte oder manchmal sogar tatsächlich auf „Film“. Ändern lässt sich daran zu diesem Zeitpunkt jedenfalls nichts mehr.

Bleiben also Belanglosigkeiten wie technische Pannen und schwierige Gemütszustände. Technische Pannen geschehen häufig genug, sind es aber in der Regel nicht wert, dass man ihnen noch extra Platz einräumt. Sprechen wir also von Gefühlen. Von dem der Unsicherheit zum Beispiel. Wer schon einmal eine Arbeit öffentlich vorgeführt hat, kennt das. Ganz egal, ob man einen Studentenfilm oder einen Blockbuster gedreht hat.

Natürlich kann man versuchen, sich zu beruhigen. Wenn der Film ausgewählt wurde, wird das schon OK sein, denn man hat damit ja bereits so etwas wie eine Selektion durchlaufen. Nun gut, wie erkläre ich mir dann aber all den Müll, den ich immer wieder auf gewissenhaft kuratierten Festivals sehe? Auch der Rückzug auf die überhebliche Position („Mir doch egal, was die anderen denken!“) hilft wenig. Denn wenn mich die Meinung anderer nicht interessiert, warum zeige ich meine Filme dann öffentlich? Also nützt es alles nichts und man wird doch immer wieder auf seine Unsicherheit zurückgeworfen. Bei jeder Arbeit aufs Neue.

Noch so eine Banalität: Im Kino ist alles anders. Größer, lauter, wahrhaftiger. No na. Selbstverständlich wirkt der Film im Kino anders als daheim am Monitor. Aber mehr noch: Er wirkt auch jedes Mal aufs Neue anders. Unlängst, bei einer Filmreihe für Schüler/innen, sah ich einen meiner Filme vier Mal hintereinander. Ich durchlief dabei ein breites Spektrum von Gemütszuständen. Das war harte (unbezahlte) Arbeit. Und dabei ging es danach erst los, denn auf die Vorführungen folgten Gespräche.

Dazu ein Einschub: Generell ist das mit diesen pädagogischen Programmen so eine Sache. Meine aktuelle Arbeit Yo no veo crisis läuft immer wieder in sogenannten „Vermittlungsprogrammen“ (das Wort allein gefällt mir nicht). Momentan auch bei der Reihe dox & shorts beim Steirischen Herbst. Das freut mich. Gleichzeitig macht es mir Angst, denn es könnte vermuten lassen, dass mein Film in eine Richtung zielt, die immer wieder mit den Begriffen didaktisch und pädagogisch in Verbindung gebracht wird. Nichts liegt mir ferner. Da werden Erinnerungen an die Vorführung von Haneke-Filmen im Religionsunterricht wach. Oder auch an das per Schulleitung verordnete Schindlers Liste-Schauen im Gartenbaukino. Nachher ein paar belehrende Worte und man darf sich moralisch überlegen fühlen. Die Welt ist ein finsterer Ort!

Generell halte ich es ja für schwierig bis unmöglich, Filme „durch das Sieb der Sprache“ (Peter Kubelka) zu pressen. Deshalb können Publikumsgespräche – wie sie fälschlich heißen – eine schwierige Übung sein. Wie soll man das, was man da über Monate hinweg produziert hat, in drei Sätze fassen? Und wenn das notwendig ist, hat man dann nicht etwas falsch gemacht? Ich denke, man kann bei solchen Anlässen lediglich über Begleitumstände und Motivationen sprechen. Auf die Frage „Warum sieht der Film so aus, wie er aussieht?“, die in verschiedenen Variationen immer wieder kommt, kann es ohnehin immer wieder nur dieselbe Antwort geben: „Weil er sonst anders aussehen würde!“. Gespräch beendet.

Dabei bin ich als Teilzeitwissenschafter auf nämlichem Gebiet ja einiges an schwierigen Fragen zu Filmen gewöhnt. Dennoch trifft mich der eine oder andere Kommentar immer noch vollkommen unvorbereitet. Ich erinnere mich etwa an eine Frage zu meinem Found Footage-Film Siesta. „Warum sieht man in diesem Film keine Menschen?“, wollte ein junger Mann von mir wissen. Die Rede ist von einem postapokalyptischen Szenario, das aus der Perspektive der letzten Überlebenden erzählt wird …

Aber es geht noch härter: Letztes Jahr wurde ich auf einem Festival zu einem „Schnellinterview“ gebeten. Man hielt mir ein Mikro vors Gesicht und fragte: „Bitte erkläre in einem Satz, was experimentelles Kino für dich bedeutet!“. Das wäre allein schon deshalb schwierig, weil ich nicht einmal weiß, ob ich mit dem Begriff „Experimentelles Kino“ einverstanden bin. Und wenn ich denn tatsächlich eine Antwort hätte – und diese noch dazu in einem Satz ausdrücken könnte – wäre ich längst gut gebuchter Gastredner auf filmwissenschaftlichen Symposien. Außerdem könnte man an Filmschulen große Teile des Lehrplanes kürzen, einige Laufmeter Fachliteratur entsorgen und das Filmmuseum in Zukunft am Dienstag geschlossen halten. Also, vielleicht besser gar nicht erst antworten.

Wenn dann der offizielle Teil erledigt ist, folgen Foyer-Gespräche. Das ist nett. Man trinkt etwas, bekommt Feedback und ist froh, dass alles gut gelaufen ist. Doch auch da gibt es eine Frage, die immer wieder kommt – zugegeben meist von Leuten gestellt, die sich nicht allzu intensiv mit Film beschäftigen: „Na, wann wirst du denn einmal einen richtigen (!) Film machen?“.

Deshalb abschließend noch eine kurze Erklärung: Jemand der kurze, ungewöhnliche, kleine, selbst gemachte und oft auch selbst finanzierte Filme macht, ist nicht notwendigerweise jemand, der eigentlich lieber große, teure, lange, kommerzielle Filme machen würde. Genauso wenig, wie jemand der Lyrik schreibt eigentlich viel lieber Romane schreiben würde. Ich nehme an, dass das den meisten Besucher/innen der Diagonale-Homepage klar sein dürfte. Aber sollten Sie Freund/innen haben, von denen Sie vermuten, dass sie diesem Irrtum aufsitzen, schreiten Sie bitte erklärend ein. Das wäre uns, die wir nur kurze und nicht „richtige“ Filme machen, eine große Hilfe. Danke!

Die Diagonale-Webnotizen wurden von 2010 bis 2015 von der BAWAG P.S.K. unterstützt.

Der Standard ist Medienpartner der Diagonale-Webnotizen.
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