Paper Route
Dokumentarfilm, US 2002, Farbe+SW, 23 min., eOF
Diagonale 2019

Regie: Robert Frank
Ludwig Wüst lenkt in dem von ihm kuratierten
internationalen Kurzfilmprogramm den Blick auf ein
Kino jenseits des Mainstreams. Nach Orson Welles,
der sich einst als Abtrünniger des Hollywoodkinos, als
maverick bezeichnete, benennt Wüst seine Filmauswahl,
in der er ein paar Positionen seiner Maverick-
Gefährten präsentiert, die ihn in seiner langjährigen
Kinoarbeit inspirierten und begleiteten.
ein mann, ca. 50 jahre alt, steht im trenchcoat in
der wüste von arizona. er spricht einen monolog aus
„the merchant of venice“ von william shakespeare.
während er den berühmten shylock-monolog
deklamiert, kullern ein paar tränen über seine wangen,
der kalte wüstenwind lässt ihn frierend seiner
arbeit nachgehen.
dann sagt der mann plötzlich: CUT, NO GOOD!
die szene wird abgebrochen, anschließend noch
unzählige male wiederholt.
orsen welles ist gerade dabei, seinen film The
Merchant of Venice (1969) endlich fertigzustellen,
und sei es in der wüste von arizona …
seit ich anfang der 1990er-jahre diese szene in
der doku The One-Man Band (1995) von vassili silovic
und oja kodar gesehen hatte, waren meine augen
weit geöffnet für ein kino, welches jenseits des mainstreams
stattfinden kann.
orson welles hat sich später bei seiner rede zum
„life achievement award“ als abtrünniger, als „maverick“
bezeichnet und betont, dass dies für ihn die einzige
möglichkeit war, seine filme zu machen … abseits
der traumfabrik hollywood.
seit dieser zeit bin ich im laufe meiner langjährigen
kinoarbeit auf weitere „maverick“-weggefährten
gestoßen. ein paar wenige möchte ich nun in meinem
carte-blanche-programm, anlässlich meines
diagonale-tribute, vorstellen.
robert frank und sein gigantisches werk (foto-/
film-/videoarbeiten) begleiten mich seit seiner werkschau
bei der diagonale 2003 … (to be continued!).
Paper Route ist die wohl „leichtfüßigste“ unter seinen
videoarbeiten … so kann, soll, muss kino sein!
audrius stonys, ein großer poet des dokumentarischen
kinos aus litauen: seinem werk bin ich erst
jüngst auf die spur gekommen. Earth of the Blind,
kommt und seht!
marguerite duras, auch sie eine langjährige
weggefährtin für meine arbeit, ihr kino ein beinahe
unbekannter schatz des kinematografischen welterbes:
L’homme atlantique.
last, but not least: artavazd pelechian, sein
symphonisches werk Menk, kino pur als krönender
abschluss … wünsche gute projektion!!!!
(Ludwig Wüst)