Geschichten aus dem Wiener Wald
Spielfilm, AT 1979, Farbe, 96 min., dOF
Diagonale 2019

Regie: Maximilian Schell
Buch: Christopher Hampton, Maximilian Schell
Darsteller*innen: Helmut Qualtinger, Hanno Pöschl, Birgit Doll u.a.
Kamera: Klaus König
Schnitt: Dagmar Hirtz
Musik: Toni Stricker
Produktion: MFG-Film GmbH, München, Arabella-Film, Wien
Kleinbürgerkatastrophen, wohin
man schaut! Die berühmte Verfilmung
von Ödön von Horváths Stück
zeigt Hanno Pöschl in seiner ersten
großen Kinorolle. Das „liebe, süße“
Mädchen Marianne, Tochter des
sogenannten Zauberkönigs, ist darin
mit dem spießigen Metzger Oskar
verlobt. Dem läuft sie davon, weil
sie sich in den Weiberhelden Alfred
verliebt, der sie später wiederum
mit dem gemeinsamen Kind sitzen
lässt. Ein bitterböser, düsterer, aber
auch komisch-satirischer Rückblick
auf die morbiden Verhältnisse am
Vorabend der nationalsozialistischen
Machtübernahme.
Die Verfilmung von Ödön von Horvaths Stück
dreht sich um Kleinbürgerkatastrophen und zeigt
Hanno Pöschl in seiner ersten großen Kinorolle: Das
„liebe, süße“ Mädchen Marianne (Birgit Doll), Tochter
des sogenannten Zauberkönigs (Helmut Qualtinger),
ist mit dem spießigen Metzger Oskar verlobt.
Dem läuft sie davon, weil sie sich in den Strizzi und
Weiberhelden Alfred (Hanno Pöschl) verliebt, der
sich nur für Frauen, Geld und Pferdewetten interessiert.
Marianne bekommt ein Kind von Alfred, doch
wenig später lässt er sie sitzen. Daraufhin bringt
sie das Baby zu Alfreds Mutter in die Wachau, die
den „Bastard” absichtlich umkommen lässt. Auch
der Vater hat Marianne verstoßen, deshalb ist diese
gezwungen, sich ihr Geld mit freizügigen Nummern
in einem verrufenen Etablissement zu verdienen. Als
sie dort zufällig von ihrem Vater und seinen Bekannten
entdeckt wird, löst die ohnehin schon verstoßene
Tochter einen neuen Skandal aus.
Eine junge Frau versucht im Wien um 1930 vergeblich,
ihrem Milieu zu entkommen, zerbricht aber
an den Begierden und moralischen, patriarchalen
Abgründen, die sich hinter der Fassade des engstirnigen
Kleinbürgertums verbergen. Mit großer
atmosphärischer Intensität bietet Geschichten aus
dem Wiener Wald einen bitterbösen, düsteren, aber
auch komisch-satirischen Rückblick auf die morbiden
Verhältnisse am Vorabend der nationalsozialistischen
Machtübernahme.
(Katalogtext,
red)
Marianne hat in dem stickigen Klima der Zwischenkriegszeit,
mit sentimentalen Rittmeistern und
frischen Nazis, mit verkniffener Sexualität und
strammer Religiosität, keine Chance auf ihre Gefühle
und auf das Kind, das sie von Alfred bekommt.
Die „Geschichten aus dem Wiener Wald“, mit denen
Ödön von Horváth genau einen Punkt des Übergangs
zwischen dem Bürgerlichen Trauerspiel
und dem klassenlosen Theater der Nachkriegszeit
markierte, fanden 1979 durch den Drehbuchautor
Christopher Hampton und durch Maximilian Schell
eine prototypische Literaturverfilmung aus dem
Geist der damaligen Zeit: ein namhaftes Ensemble,
der effektvolle Einsatz von Locations, die Ausschmückung
der morbiden Dekadenz. (…) Dies ist in jeder
Hinsicht ein „historischer“ Film, der aber durchaus
andeutet, dass sich am Geist der damaligen Zeit
nicht so viel geändert hat.
(Bert Rebhandl, DVD-Booklet Edition Der Standard)
Die „Geschichten aus dem Wiener Wald“ sind
ein starkes Stück. Im November 1931 wurde Ödön
von Horváths erfolgreichstes Bühnenwerk in Berlin
uraufgeführt und innerhalb zweier Monate achtundzwanzigmal
wiederholt. Die österreichische Erstaufführung
fand 17 Jahre später statt und wurde zum
Skandal. Was das Wiener Publikum so empörte, hatte
schon 1931 in Berlin für Widerwillensbekundungen
in der rechten Presse gesorgt: Man wolle nicht
dabei zusehen, hieß es dort etwa, wie das „goldene
Wiener Herz rettungs- und hilflos in der Horváthschen
Jauche ersoff“. (…) Horváths Bühnen- und Romanfiguren
sind Kleinbürger in existenziell bedrohlicher
Situation: Sie haben die Verheerungen des Ersten
Weltkriegs erfahren, und nun, in der Wirtschaftskrise
der späten 1920er, müssen sie wieder ums Überleben
kämpfen. Das bringt hässliche Charakterzüge
zum Vorschein, die in der nationalsozialistischen
Ideologie ihren realpolitischen Ausdruck finden.
(Doris Griesser, Der Standard)