Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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Geschichten aus dem Wiener Wald
Spielfilm, AT 1979, Farbe, 96 min., dOF
Diagonale 2019

Regie: Maximilian Schell
Buch: Christopher Hampton, Maximilian Schell
Darsteller:innen: Helmut Qualtinger, Hanno Pöschl, Birgit Doll u.a.
Kamera: Klaus König
Schnitt: Dagmar Hirtz
Musik: Toni Stricker
Produktion: MFG-Film GmbH, München, Arabella-Film, Wien

 

Kleinbürgerkatastrophen, wohin man schaut! Die berühmte Verfilmung von Ödön von Horváths Stück zeigt Hanno Pöschl in seiner ersten großen Kinorolle. Das „liebe, süße“ Mädchen Marianne, Tochter des sogenannten Zauberkönigs, ist darin mit dem spießigen Metzger Oskar verlobt. Dem läuft sie davon, weil sie sich in den Weiberhelden Alfred verliebt, der sie später wiederum mit dem gemeinsamen Kind sitzen lässt. Ein bitterböser, düsterer, aber auch komisch-satirischer Rückblick auf die morbiden Verhältnisse am Vorabend der nationalsozialistischen Machtübernahme.

Die Verfilmung von Ödön von Horvaths Stück dreht sich um Kleinbürgerkatastrophen und zeigt Hanno Pöschl in seiner ersten großen Kinorolle: Das „liebe, süße“ Mädchen Marianne (Birgit Doll), Tochter des sogenannten Zauberkönigs (Helmut Qualtinger), ist mit dem spießigen Metzger Oskar verlobt. Dem läuft sie davon, weil sie sich in den Strizzi und Weiberhelden Alfred (Hanno Pöschl) verliebt, der sich nur für Frauen, Geld und Pferdewetten interessiert. Marianne bekommt ein Kind von Alfred, doch wenig später lässt er sie sitzen. Daraufhin bringt sie das Baby zu Alfreds Mutter in die Wachau, die den „Bastard” absichtlich umkommen lässt. Auch der Vater hat Marianne verstoßen, deshalb ist diese gezwungen, sich ihr Geld mit freizügigen Nummern in einem verrufenen Etablissement zu verdienen. Als sie dort zufällig von ihrem Vater und seinen Bekannten entdeckt wird, löst die ohnehin schon verstoßene Tochter einen neuen Skandal aus.
Eine junge Frau versucht im Wien um 1930 vergeblich, ihrem Milieu zu entkommen, zerbricht aber an den Begierden und moralischen, patriarchalen Abgründen, die sich hinter der Fassade des engstirnigen Kleinbürgertums verbergen. Mit großer atmosphärischer Intensität bietet Geschichten aus dem Wiener Wald einen bitterbösen, düsteren, aber auch komisch-satirischen Rückblick auf die morbiden Verhältnisse am Vorabend der nationalsozialistischen Machtübernahme.
(Katalogtext, red)

Marianne hat in dem stickigen Klima der Zwischenkriegszeit, mit sentimentalen Rittmeistern und frischen Nazis, mit verkniffener Sexualität und strammer Religiosität, keine Chance auf ihre Gefühle und auf das Kind, das sie von Alfred bekommt. Die „Geschichten aus dem Wiener Wald“, mit denen Ödön von Horváth genau einen Punkt des Übergangs zwischen dem Bürgerlichen Trauerspiel und dem klassenlosen Theater der Nachkriegszeit markierte, fanden 1979 durch den Drehbuchautor Christopher Hampton und durch Maximilian Schell eine prototypische Literaturverfilmung aus dem Geist der damaligen Zeit: ein namhaftes Ensemble, der effektvolle Einsatz von Locations, die Ausschmückung der morbiden Dekadenz. (…) Dies ist in jeder Hinsicht ein „historischer“ Film, der aber durchaus andeutet, dass sich am Geist der damaligen Zeit nicht so viel geändert hat.
(Bert Rebhandl, DVD-Booklet Edition Der Standard)

Die „Geschichten aus dem Wiener Wald“ sind ein starkes Stück. Im November 1931 wurde Ödön von Horváths erfolgreichstes Bühnenwerk in Berlin uraufgeführt und innerhalb zweier Monate achtundzwanzigmal wiederholt. Die österreichische Erstaufführung fand 17 Jahre später statt und wurde zum Skandal. Was das Wiener Publikum so empörte, hatte schon 1931 in Berlin für Widerwillensbekundungen in der rechten Presse gesorgt: Man wolle nicht dabei zusehen, hieß es dort etwa, wie das „goldene Wiener Herz rettungs- und hilflos in der Horváthschen Jauche ersoff“. (…) Horváths Bühnen- und Romanfiguren sind Kleinbürger in existenziell bedrohlicher Situation: Sie haben die Verheerungen des Ersten Weltkriegs erfahren, und nun, in der Wirtschaftskrise der späten 1920er, müssen sie wieder ums Überleben kämpfen. Das bringt hässliche Charakterzüge zum Vorschein, die in der nationalsozialistischen Ideologie ihren realpolitischen Ausdruck finden.
(Doris Griesser, Der Standard)

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