Die Hölle
Spielfilm, AT/DE 2017, Farbe, 92 min., OmeU
Diagonale 2017
Regie: Stefan Ruzowitzky
Buch: Martin Ambrosch
Darsteller:innen: Violetta Schurawlow, Tobias Moretti, Sammy Sheik, Friedrich von Thun, Robert Palfrader, Stefan Pohl, Verena Altenberger
Kamera: Bildgestaltung: Benedict Neuenfels
Schnitt: Britta Nahler
Originalton: Hjalti Bager-Jonathansson
Musik: Marius Ruhland
Sounddesign: Tatjana Jakob
Szenenbild: Isidor Wimmer
Kostüm: Sammy Zayed
Produzent:innen: Helmut Grasser, Thomas Peter Friedl
Produktion: Allegro Film
Koproduktion: The Amazing Film Company
Haben Sie Wien schon bei Nacht geseh’n? – Nicht Rainhard Fendrich, sondern Stefan Ruzowitzky beantwortet mit Die Hölle diese Frage neu. Ausgehend von einem Fenster zum Hof-Moment, in dem eine junge Frau Zeugin eines Mordes wird, inszeniert er ein rasantes Katz-und-Maus-Spiel, markiert von spektakulären Stunts und brutalen Verfolgungsjagden. Ein Genrebeispiel der außergewöhnlichen – der österreichischen – Art.
Das Fenster zu einem Wiener Innenhof wird der türkischstämmigen Taxifahrerin Özge (Violetta Schurawlow) zum Verhängnis. Eines Nachts entdeckt sie in der gegenüberliegenden Wohnung eine bestialisch zugerichtete Frauenleiche. Zu spät bemerkt sie, dass der Mörder sie aus dem Dunkeln beobachtet. Von nun an ist sie sowohl Gejagte als auch Jagende.
(Katalogtext, az)
Ein Faible für Genres, Gewalt, Blut und geschundene Körper bildet sich im Œuvre des österreichischen Oscar-Preisträgers Stefan Ruzowitzky bereits vor seinem Ausflug nach Hollywood ab. Den genreerprobten Produzenten Helmut Grasser (Das Finstere Tal, 2014; In 3 Tagen bist du tot, 2006) an seiner Seite, zeigt er nun mit seinem in Wien angesiedelten Action-Thriller Die Hölle, dass er die Standardsituationen der Traumfabrik wirkungsvoll zu modulieren weiß. (...) Neben brutalen Faust- und Messerkämpfen, rasanten Verfolgungsjagden durch die Wiener Innenstadt, Explosionen und spektakulären Stunts rührt Ruzowitzky durch ein atmosphärisch dichtes Spiel mit Licht und Dunkelheit, Sichtbarem und Verborgenem, Schock, Spannung und Suspense an der Angstlust des Zuschauers. Der Film verzichtet auf amerikanisches Heldenpathos, setzt auf ein unkonventionelles, offenes Ende und auf ambivalente, bisweilen unangenehme Identifikationsfiguren in quasi neorealistischen Milieus. Sein final girl, die thaiboxende Taxifahrerin Özge, ist eine verruchte, traumatisierte Schönheit in Jogginghosen, ein weiblicher Travis Bickle, die sich lieber als harte, selbstbewusste Einzelgängerin durchs Leben schlägt, statt viele Worte zu verlieren oder auf Hilfe zu hoffen. In Gestalt des kauzigen, resignierten und inkompetenten Polizisten Christian Steiner (Tobias Moretti) wird ihr diese notgedrungen aber doch zuteil. (...) Neben physisch involvierendem Schauspiel und knapp-pointierten Dialogen offenbart sich in der Zwangsbeziehung der Sonderlinge, zu denen sich schließlich noch Friedrich von Thun als Steiners dementer Vater gesellt, Ruzowitzkys komödiantisches Gespür.
Die Hölle ist schnörkel- und makelloses Genrekino, dessen besonderer Reiz gerade dem perfekten Spagat zwischen Hollywood-Spektakel und unprätentiösem Lokalkolorit, genauer: österreichischer Trockenheit zu verdanken ist.
(Michelle Koch, ray Filmmagazin)