„Mit dem Rauchen habe ich angefangen wegen Bette Davis. Um sie zu imitieren. Mit 18 habe ich bereits geraucht wie ein Schlot.“
(Marisa Paredes als Huma Rojo in Pedro Almodóvars Alles über meine Mutter)
Kino und Rauchen? Ein mittlerweile schwieriges Verhältnis. In westlichen Filmen und Fernsehsendungen, die auf große Zuschauerzahlen ausgerichtet sind, greift heutzutage kaum noch jemand zur Zigarette – es sei denn die beiden Schwestern von Marge Simpson. Eine Ewigkeit scheint es her zu sein, dass die göttliche Bette Davis in ihren Filmen beeindruckende Rauchringe produzierte und so zum Vorbild selbstbestimmten Handelns wurde. Dementsprechend hat sich auch unser Verhältnis zu rauchenden LeinwandheldInnen grundlegend gewandelt. Wie haben wir die selbstbewusste Art bewundert, mit welcher diese sich eine Zigarette ansteckten oder mit rauchiger Stimme um Feuer baten. Heute würden wir sogar dem smarten Basil Rathbone alias Sherlock Holmes am liebsten die Pfeife wegnehmen. Marlene Dietrich würden wir eine Standpauke über mögliche Folgeschäden ihres Verhaltens halten, und der Marlboro Man hat sowieso Mundgeruch. Keiner will ihn mehr sehen und schon gar nicht werbend auf der Leinwand. Genauso wie das Rauchen immer mehr aus dem öffentlichen Alltag verschwindet, verziehen sich auch die Rauchschwaden aus den Filmen. Wie lange müssen SchauspielerInnen überhaupt noch paffen lernen? Falls sie es sich nicht ohnehin schon selbst beigebracht und wieder abgewöhnt haben.
Doch nur weil das Rauchen aus der Öffentlichkeit verbannt wird, bedeutet das nicht zugleich, dass tatsächlich niemand mehr raucht. Im Gegenteil. Rauchen wird wieder zum subversiven Akt, um dem dekretierten Verbot zu trotzen. Einen eindrucksvollen Beweis dafür liefern unter anderem Filmfestivals, wo nach wie vor zur großen Freude der Tabakindustrie heftigst geraucht wird. Rauchzeichen überall: Die Diagonale hatte in der Vergangenheit sogar einen Zigarettensponsor. Warum rauchen eigentlich so viele FestivalbesucherInnen? Einfach deswegen? Ist es womöglich die Gewissheit unwiederholbare Momente zu durchleben, die man sich rauchend einzuverleiben versucht? Hat das Rauchen eine soziale Funktion? Oder ist es vielmehr eine Art Gruppenzwang innerhalb der Filmbranche, der den Ausschlag gibt?
Entgegen allen Anti-Rauch-Kampagnen wird das zum Klischeebild erstarrte Künstlersubjekt mit Zigarette im Mundwinkel jedenfalls auch weiterhin bestehen. Zu sehr haben wir dieses Image lieb gewonnen, als dass wir ihm nun plötzlich nicht mehr nacheifern würden.
Rauchen im Kinosaal? Geht gar nicht. Mit Schaudern verfolgen NichtraucherInnen historische Aufnahmen, wo in Kinos noch um die Wette gequalmt wurde. Seine übelsten Feinde möchte man nicht in jene frühen Lichtspielhäuser wünschen, die irgendwie nach Lungeninfarkt riechen. Von der beeinträchtigten Sicht ganz zu schweigen. Mitte der 1990er Jahre muss es gewesen sein, als ich selbst zum ersten und letzten Mal in einem Kino geraucht habe. Und das zur melodramatischen Romanverfilmung von Das Geisterhaus im Kurkino Bad Gleichenberg. Verblüffend für mich war, dass die auf höchste gesundheitliche Weihen hoffen lassende Vorsilbe „Kur-“ in der Kinokultur der Südoststeiermark auf merkwürdige Weise interpretiert wurde, denn, wie sich bald herausstellte, war Rauchen im Kinosaal nicht nur nicht untersagt, sondern die freundliche Kartenabreißerin am Eingang wies auch noch explizit darauf hin, dass es auf jeden Fall erlaubt sei.
Damals selbst ein begeisterter Raucher, war ich doch einigermaßen irritiert als sich ein Mann zwei Reihen vor mir eine Zigarette nach der anderen ansteckte. Jugendlicher Nachahmungsdrang beflügelte mich bald, es diesem Unbekannten unter angewiderten Blicken meiner nicht rauchenden Begleitung gleichzutun. Beim Verlassen des Kinosaals fühlte ich mich dementsprechend etwas schäbig und beschloss das Rauchen im Kinosaal für alle Zeit einzustellen. Aber auch im Foyer ist das Rauchen zumeist tabu und wird mit zahlreichen Verwünschungen oder einem glatten Rauswurf geahndet. Geraucht werden soll gefälligst im Freien. Häufig allerdings findet man sich, sobald man aus dem Kino ins Freie tritt, um kurz frische Luft zu schnappen, inmitten einer Rauchwolke wieder und ergreift sogleich die Flucht.
Auge, Lunge, Nase, Gehirn. Das Rauchen und das Kino scheinen also weiterhin auf geheimnisvolle Weise miteinander verbunden zu sein. Vielleicht, weil beide auf ganz besondere Art auf die Sinnesorgane einwirken und uns einem Paradies ursprünglicher sinnlicher Erfahrungen näher bringen. Vielleicht.