Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

Diagonale-Webnotiz 13/2010

von AUF DIE PLÄTZE, FERTIG – FILM!

 

13 x Projektionen in aller Öffentlichkeit ist ein Projekt der Diagonale und des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark. Mit Unterstützung der 13 Gemeindevertretungen sowie von Mediasystem.

http://www.oeffentlichekunststeiermark.at/

AUF DIE PLÄTZE, FERTIG – FILM!

EINE COLLAGE zu AUF DIE PLÄTZE, FERTIG – FILM! 13 x Projektionen in aller Öffentlichkeit (6. – 18. Oktober 2010, in der Weststeiermark)

Für AUF DIE PLÄTZE, FERTIG – FILM! 13 x Projektionen in aller Öffentlichkeit wurden vier junge österreichische Filmschaffende eingeladen, filmische Arbeiten zum und im öffentlichen Raum in Orten der Weststeiermark zu entwickeln und im Rahmen von öffentlichen Screenings in diesen Orten zu zeigen.

 

 

Jan Machacek / ghost room – vier performative Videos

Wie lässt sich der öffentliche Raum, der von verschiedensten politischen, sozialen und gesellschaftlichen Faktoren bestimmt wird, in einer künstlerischen Arbeit spiegeln? Fragen wie diese bilden den Ausgangspunkt für Jan Machaceks Videoarbeit. Er platziert dafür vor einer Kamera einen Glaskubus, auf dessen Wänden sich die Ansichten des Drehortes spiegeln. Passant/innen sind eingeladen die Kamera – und damit den Glaskubus – in Bewegung zu versetzen. Sie bringen sich auf diese Weise zu den Raumprojektionen in Beziehung und sich selbst spielerisch in Szene. So wird deutlich, dass der öffentliche Raum erst dort entsteht, wo Menschen Position beziehen.

Ich fand es spannend den Rahmen, in dem ich gewöhnlich meine Arbeit präsentiere – Bühne, Kino, Galerie – zu verlassen. Projektionen in der Öffentlichkeit sprechen ein anderes Publikum an, mitunter Menschen, die mit zeitgenössischer Kunst wenig am Hut haben. Ein Projekt wie dieses macht es ihnen leichter, damit in Berührung zu kommen und eigene Erfahrungen zu sammeln. (Jan Machacek)

Das mir noch „Fremde“ hat mich neugierig gemacht: das Experimentieren, Überdenken der vielen Möglichkeiten, die Begegnungen mit den Menschen unabhängig vom Kunstbetrieb … neugierig darauf zu sein, ob durch die Arbeit Kommunikation entsteht. Der Ausgangspunkt war, das Video als eine Art soziale Skulptur zu denken, in das die Bevölkerung involviert wird und in bestimmter Weise ein Sprachrohr bekommt. (Miriam Bajtala)

Das Format Video/Film in den öffentlichen Raum zu verlagern, ist meiner Meinung nach schwierig, aber genau dadurch für mich auch spannend. So eröffnen sich in dieser „Bewegung weg vom Kinokontext“ plötzlich ganz andere Fragen des Inhalts und speziell auch Fragen der Rezeption. (Annja Krautgasser)

Das Thema an sich interessierte mich, da ich mich in meinen Projekten schon seit langer Zeit, fast eine Dekade lang, mit dem öffentlichen Raum beschäftige. Dann interessierte mich auch die Gegend, nicht nur weil es die Weststeiermark ist, sondern der ländliche Raum an sich. Ich hatte über den öffentlichen Raum als ländlichen Raum so noch nicht nachgedacht. Die Möglichkeit, direkt vor Ort mit den Menschen arbeiten zu können, war etwas Besonderes. (Manu Luksch)

Annja Krautgasser / 1-minute-rendezvous

Die Bewohner/innen von Hitzendorf, Mooskirchen, Eibiswald und Lannach wurden eingeladen, sich eine Minute lang vor die Kamera von Annja Krautgassers Team zu stellen. Zum Casting lud die Filmemacherin via Postwurfsendung. Es entstanden ungewohnte Porträts von Einzelpersonen und Kleingruppen und letztlich von den Ortschaften, in denen gedreht wurde. Auf diese Weise erhält der Raum, der sich zwischen einem Kunstwerk und seinem Publikum erschließt, eine neue Bedeutung. Indem die Projektion an eben jener Stelle stattfindet, an der gedreht wurde, wird der soziale Raum kurzfristig neu definiert.

Das Format Video/Film bekommt im öffentlichen Raum eine neue Bedeutung. Es war für mich recht schnell klar, dass eine Videoprojektion im öffentlichen Raum nicht automatisch als Präsentationsform einer filmischen Arbeit funktioniert bzw. als künstlerisches Statement ausreicht, sondern dass es viel eher darum geht, das Medium Video/Film als Intervention einzusetzen und mit dem Ort eine Beziehung aufzubauen – eine Beziehung, bei der die Betrachter nicht ein Video per se betrachten, sondern eben auf den Ort zurückgeworfen werden. (Annja Krautgasser)

Video im öffentlichen Raum bietet die Möglichkeit sehr ortsspezifisch zu arbeiten. Die Menschen, ihre Geschichte und Architektur können wichtige Ideengeber/innen sein. Einen großen Reiz bietet die mögliche Partizipation der Menschen vor Ort – und da waren oft viel Spontaneität und Neugierde vorhanden. (Jan Machacek)

Video im öffentlichen Raum ist nur ein Aspekt von Ambient Media, dessen Spektrum von LED-Tickers, über elektronische Werbetafeln, bis hin zum Screen des Handys oder Fernsehschirmen in Wartesälen reicht. Ambient Media ist „natürlicher“ Bestandteil unserer Umgebung, die nicht nur konsumorientierten Botschaften überlassen werden sollte. Durch künstlerische, oder nicht-kommerzielle Nutzung im weitesten Sinn, kann ein kritischer Diskurs in den öffentlichen Raum eingebracht werden. (Manu Luksch)

Ich verstehe das Arbeiten mit Video im öffentlichen Raum als eine Erweiterung des Raums durch das Medium der Zeit, des vorhandenen gelebten, wie ungelebten öffentlichen Raums. Video im öffentlichen Raum hat viele Potentiale, beginnend bei einer sozialen Skulptur – auch als eine Art Gegenentwurf zu anderen in der Zeit arbeitenden Formaten – bis hin zu einem erweiterten Skulpturenbegriff, der sich mehr mit architektonischen, medialen, wie der Wahrnehmung betreffenden Räumen auseinandersetzt. Video im öffentlichen Raum hat vor allem auch politisches Potential. (Miriam Bajtala)

Manu Luksch / Architekturbüro LichtPause

Die Sichtweise von Kindern ist geprägt von natürlicher Neugier und spielerischer Auseinandersetzung mit ihrem Umfeld. Manu Luksch rückt die Perspektive der Kinder auf ihren sozial definierten Raum in den Mittelpunkt ihres Projektes. Diese bringen ihre lokale Fachkompetenz, ihre Erfahrungen, Wünsche und Vorstellungen in Bezug auf den öffentlichen Raum in Form von Architekturmodellen ein. Die Ideen platzieren sich mit Selbstverständlichkeit innerhalb der vertrauten Umgebung, sodass sie die herkömmlichen Vorstellungen des Machbaren aufweichen. So entsteht eine Raumutopie, die einlädt, aus dem Gewohnten für einen Moment auszubrechen und das Mögliche neu denken zu lernen.

Meine Einladung an ortsansässige Kinder lautete, ihre Ideen für gemeinnützige Einrichtungen auszudrücken. Das Konzept dafür entstand durch die Beobachtung, dass Kinder ihre Umgebung für ihre Spiele spontan und temporär unterschiedlich nutzen. Mein Interesse ist: können wir von Kindern lernen, Räume als Lernumfeld zu erleben? Ihre Vorschläge für mein Videoprojekt fielen dann viel fantastischer aus als ich erwartet hatte, weniger konkret und gar nicht vorbelastet. (Manu Luksch)

Klar haben die Menschen vor der Kamera mein Konzept verändert. Ich habe sehr schnell auf die Situation und die sehr unterschiedlichen Menschen reagieren müssen, weil sich zwischen dem Konzept, den vielen mitgebrachten Fragen und der abgedrehten Wirklichkeit … unerwartete und spannende Situationen und Gegebenheiten aufgetan haben … (Miriam Bajtala)

Definitiv haben die Menschen vor Ort die Dreharbeiten beeinflusst. Ich habe an vier Orten gedreht und jeder Dreh war so unterschiedlich wie die Drehorte und ihre Bewohner/innen. Ich habe viel über „Leute-bei-Laune-halten“ gelernt und wie Strukturen im ländlichen Raum funktionieren. Vieles musste vor Ort verändert werden, weil ich mir davor schwer ausmalen konnte, wie die Dreharbeiten tatsächlich verlaufen werden. (Jan Machacek)

Die Veränderung meines Konzeptes durch die Reaktion der Menschen vor Ort war nicht wesentlich. Ich war mir bei meinem Konzept allerdings zu Beginn nicht ganz sicher, ob eine Minute nicht zu lang wäre. Nachdem aber die Teilnehmer/innen froh waren eine konkrete Vorgabe zu bekommen (eine Minute in die Kamera zu schauen) erkannte ich, dass gerade die Dauer der Minute wichtig und ausschlaggebend war, um eben diese spezielle Sogwirkung zu erzielen. (Annja Krautgasser)

Miriam Bajtala / Die Übung

Mit der Methode des Vergleichs werden vier unterschiedliche Vereine dargestellt: ein Turnverein, eine Ortsgruppe der Freiwilligen Feuerwehr, ein Gesangsverein und eine Theatergruppe. Miriam Bajtala interessiert sich dabei besonders für allgemeine Details wie Gruppenzusammensetzung und Kommunikationsgewohnheiten. Auf diese Weise werden nicht nur die einzelnen Gruppen analysiert und in der Folge einander gegenübergestellt, sondern sie lassen auch Blicke auf die sozialen Strukturen und das Zusammenleben in einer Ortschaft in der Weststeiermark zu.

Vielleicht macht es neugierig, wir werden sehen … ich verstehe es eher als eine Art Initialzündung, Video im öffentlichen Raum zu denken. Es wird, glaube ich, noch viel diskutiert werden, wie, wo und vor allem in welchem Raum- und Zeitrahmen Video im öffentlichen Raum gedacht wird, ob es, wie in unserem Fall, als ein temporäres Event stattfindet oder ob das Video für mehrere Wochen sichtbar bleibt, und somit ein anderes „Erinnerungsbranding“ passiert. (Miriam Bajtala)

Sinn und Zweck sich eine Minute vor die Kamera zu stellen war vielen fremd. Bei den Dreharbeiten hatte ich das Gefühl, dass vielen der Zugang für dieses Projekt verschlossen blieb. Nichtsdestotrotz nahmen viele Bewohner/innen der Ortschaften teil. Ich glaube insofern schon, dass sich die BewohnerInnen darüber unterhalten haben. Ob allerdings der Kunstkontext den Leuten klarer wurde, kann ich nicht einschätzen. Eine gezielte Kunstvermittlung wäre dabei immer hilfreich. (Annja Krautgasser)

Mit Kindern zu arbeiten sehe ich als längerfristiges Investment. Zu behaupten, dass der Vorgang zu sofortigen Nachdenken über Kunst im öffentlichen Raum führt, wäre anmaßend. Vielleicht wird die sich ja ein Kind Jahre später an ein Detail dieser Erfahrung erinnern. Ich würde mir wünschen, dass das Workshop die nächste Generation dazu ermutigt, den öffentlichen Raum als etwas aufzufassen, für den wir alle verantwortlich sind, und den wir alle aktiv mitgestalten können. Nur so wird seine Funktion als Katalyst für demokratische Prozesse nicht verloren gehen. Insofern möchte ich mit meinem Projekt dazu einladen, Kreativität im eigenen Alltag einzubringen, und „Kunst im öffentlichen Raum“ als etwas dynamisches, als längeren Dialog, und nicht als seperaten Zusatz zu sehen. (Manu Luksch)

Ob die Dreharbeiten und Screenings zu weiteren Diskussionen zu Kunst im öffentlichen Raum geführt haben, kann ich schwer beurteilen. Ich bin auch noch auf die Vorführungen meines Videos vor Ort gespannt … Insgesamt schraube ich meine Erwartungen da nicht zu hoch. Das gesamte Projekt hat aber sicher eher positive Effekte in diese Richtung. (Jan Machacek)

 

 

           

 

Die Diagonale-Webnotizen wurden von 2010 bis 2015 von der BAWAG P.S.K. unterstützt.

Der Standard ist Medienpartner der Diagonale-Webnotizen.
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