Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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Das Dorf an der Grenze Teil 1 – Kärnten 1920–1945
Dokumentarfilm, AT 1979, Farbe, 113 min., dOF
Diagonale 2022

Regie: Fritz Lehner
Buch: Thomas Pluch
Darsteller:innen: Manfred Lukas-Luderer, Wolfgang Gasser, Monica Bleibtreu, Stefanija Droic, Bert Sotlar, Helmut Berger
Kamera: Anton Peschke
Schnitt: Juno Sylva Englander
Musik: Bert Breit
Produzent:innen: Nicolaus Richter, Werner Swossil

 

In Referenz zu 30 Jahre Thomas Pluch Drehbuchpreis

Zum dreißigsten Todestag von Drehbuchautor Thomas Pluch und dreißigjährigen Jubiläum des Thomas-Pluch-Drehbuchpreises zeigt die Diagonale’22 gemeinsam mit dem Drehbuchverband Austria den ersten Teil des ORF-TV-Epos Das Dorf an der Grenze, für das Pluch als Autor verantwortlich zeichnete. Darin wird die Geschichte des fiktiven, aber äußerst typisch dargestellten Dorfes Selice vom Ende des Ersten Weltkriegs bis in das Jahr 1976 zu einem Modell für nationalistische und andere Gruppendynamiken erhoben.

Das Dorf Selitsch in Unterkärnten heißt auf Slowenisch Selice, liegt aber auch mit diesem Namen immer noch in Unterkärnten. Klagenfurt ist weit weg, das einstige Jugoslawien auch, was bleibt, sind die gemischten Konstellationen in einem typischen Dorf an der Grenze. Davon erzählten Thomas Pluch und Fritz Lehner in ihrem Fernsehmehrteiler Das Dorf an der Grenze, in dem sie die Geschichte des fiktiven, aber äußerst typisch gezeichneten Dorfes Selice vom Ende des Ersten Weltkriegs bis in das Jahr 1976 zu einem Modell für nationalistische und andere Gruppendynamiken erhoben. Anlässlich der dreißigsten Wiederkehr des Todestags von Drehbuchautor Thomas Pluch und somit des dreißigjährigen Jubiläums des Thomas-Pluch-Drehbuchpreises zeigt die Diagonale’22 gemeinsam mit dem Drehbuchverband Austria den ersten Teil der ORF-Miniserie.
Thomas Pluch formulierte sein episches Projekt so: Er wollte „die Schicksale von Kärntnern beider Sprachgruppen“ über den Zeitraum des 20. Jahrhunderts erzählen. Dieses Jahrhundert begann erst so richtig mit dem Zerfall der Vielvölkerimperien 1918 und endete mit Ereignissen, die der 1992 verstorbene Pluch nicht mehr bearbeiten konnte: dem Entstehen eines unabhängigen Staates Slowenien und den Beitritten Österreichs und Sloweniens zur EU.
Was Pluch und Lehner erzählen, ist das, was diesen Integrationsakten vorausgegangen war: die konfliktreiche Nachbarschaft von Menschen, die nicht nur zwei „Sprachgruppen“ angehören, sondern nach dem Verständnis vieler auch zwei Nationalitäten, und die deswegen voneinander separiert gehören. Pluch sprach von einem „Brennspiegel historischer Tragik“, und mit diesem Begriff eines fokussierenden Blicks ist sehr gut benannt, wie die Figuren hier angeordnet sind. Der narrative Bogen beginnt mit der Rückkehr von Hans Karnitscher aus dem Ersten Weltkrieg. Er muss sich erst an die neuen Frontstellungen gewöhnen, nimmt aber mehr oder weniger selbstverständlich die Position eines „Nationalslowenen“ ein. Sein Vater ist die deutlich zerrissenere Figur: Er wählt bei der Volksabstimmung von 1920 mit den Deutsch-Österreicher*innen, in seinem Gasthaus will er das Slowenische nicht mehr hören, wirtschaftlich geht es mit ihm bergab. Die familiären Spannungen mit seinem tatkräftigen Sohn werden durch die politischen Umstände noch verstärkt. Ein zweiter Erzählstrang folgt der Figur des Karl Schellander, der im Zweiten Weltkrieg mit den Partisanen kämpft und seinen Sohn Milan nennt, der aber den wirtschaftlichen Aufschwung in der Zeit der Zweiten Republik nicht mehr mitbekommt. Stattdessen erweist sich sein Sohn als autoritärer Charakter.
Das Dorf an der Grenze macht deutlich, wie vielfältig Identität in einer sich abzeichnenden nachnationalen Ordnung bestimmt sein kann. Psychologie und Ökonomie stehen gleichberechtigt neben kulturellen Faktoren wie Heimat, Sprache, Volksgruppe. In einer Zeit, in der sich Europa Superstrukturen gibt, verweist die ORF-Serie zurück auf die kleinen Unterschiede, auf denen der Reichtum dieses Kontinents beruht. Und für den Rechtspopulismus, der aus Kärnten hervorging, ist dieses große Werk ein eindringliches Korrektiv.
(Bert Rebhandl)

Screening mit freundlicher Unterstützung von des ORF-Archiv

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