Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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Jugendliebe – Wem Gott schenkt ein Häschen ...
Spielfilm, AT 1983, Farbe, 64 min.
Diagonale 2018

Regie: Lukas Stepanik
Buch: Werner Fitzthum
Darsteller:innen: Michaela Galli, Peter Strauss, Ingrid Burkhard, Kurt Sobotka
Kamera: Fritz Zecha
Schnitt: Hildegard Ohandjanian
Originalton: Klaus Kinzl

 

Ausgehend vom Konflikt einer aus den Fugen geratenen ersten Liebe und den daraus resultierenden existenziellen Widersprüchlichkeiten motiviert dieser Fernsehfilm zur Reflexion österreichischer Kleinbürgerexistenzen auf dem Land. In diesem Milieu haben die Väter und Söhne das uneingeschränkte Sagen: Schallplatten und Motorräder, Stadlfeste, der Papstbesuch am Bildschirm des Schwarz-Weiß-Fernsehers, Urlaub an der oberen Adria, Bauern- und Kleingewerbesterben, Postbusverkehr und ein nicht entnazifiziertes Bundesheer bilden die Folie für den inneren Konflikt einer jungen Frau, die sich mit einer ungewollten Schwangerschaft konfrontiert sieht.

Ausgehend vom Konflikt einer aus den Fugen geratenen ersten Liebe und den daraus resultierenden existenziellen Widersprüchlichkeiten motiviert dieser Fernsehfilm zur Reflexion österreichischer Kleinbürgerexistenzen auf dem Land. In diesem Milieu haben die Väter und Söhne das uneingeschränkte Sagen: Schallplatten und Motorräder, Stadlfeste, der Papstbesuch am Bildschirm des Schwarz-Weiß-Fernsehers, Urlaub an der oberen Adria, Bauern- und Kleingewerbesterben, Postbusverkehr und ein nicht entnazifiziertes Bundesheer bilden die Folie für den inneren Konflikt einer jungen Frau, die sich mit einer ungewollten Schwangerschaft konfrontiert sieht.
Während die dringlichste Frage der Mutter (Ingrid Burkhard) angesichts ihrer ein Kind erwartenden 17-jährigen Tochter Maria, nämlich wer sonst im Ort von ihren Umständen bereits wissen könne, noch leicht zu beantworten ist, verhallt jene ihrer Tochter selbst im Beichtstuhl reaktionslos: Das etwas wunderlich anmutende „Was hat das für einen Sinn, dass ich ein Kind bekomme?“ steht stellvertretend für den Einbruch einer Lebensrealität, in der die weibliche Hauptdarstellerin – untergraben von Überforderung und Ohnmacht – erst schrittweise die Fassung wiedererlangen kann. Nachdem Abtreibung kein Thema ist, über das man offen hätte sprechen können, hilft auch der Gedanke nicht mehr viel, dass mit ihrem Freund Franz alles so vielversprechend zu beginnen schien. Und auch die gemeinsame Begeisterung für Popmusik bleibt da nicht mehr als der ernüchternde Wink eines anderswo stattfindenden Lebens, das letztendlich nicht als realistischer Gegenentwurf geltend gemacht werden kann, sondern Illusion bleibt.
Unter dramaturgischer Beratung von Robert Schindel hielt Lukas Stepanik dem damaligen Fernsehpublikum konsequent den Spiegel vor. Und der konzentrierte, wenn auch männliche Blick auf die weibliche Hauptdarstellerin – wir blicken auf sie und nicht durch ihre Augen – hält durchaus Emanzipationspotenzial bereit: nämlich das Angebot, Marias Blick anerkennend nachzuvollziehen, sich mit ihr zu identifizieren und soziale Konventionen damit – sei es auch nur für einen Moment – wirksam außer Kraft zu setzen.
Als konsequente und bis zu einem gewissen Grad auch radikale Regieentscheidung darf gewertet werden, dass unter dem Druck der Ereignisse und mit fortschreitender Schwangerschaft Blick und Verhalten der Hauptfigur zunehmend aparter inszeniert werden: So mutet diese mehr und mehr der Realität enthoben an, flüchtet sich in ironische Sprachregister und liebäugelt mit Selbstmordversuchen. Nach der Geburt bleibt ihr nur – nach sofortiger Abgabe des Neugeborenen an die Krankenschwester –, umgehend unter der Bettdecke zu verschwinden und – für Kamera und Zuschauer/innen als Zeugen und gleichzeitige Komplizen ihrer Verzweiflung – unsichtbar zu werden. Doch diese letzte Einstellung von Stepaniks eigentümlich unter die Haut gehendem Fernsehfilm ist eigentlich nicht das Ende, sondern vielmehr der Anfang der Geschichte; d. h. des Lebens einer minderjährigen, ledigen Teenie-Mutter irgendwo in der österreichischen Provinz der 1980er-Jahre. „Wem Gott schenkt ein Häschen, dem schickt er auch ein Gräschen …“, lautet das von katholischer Moral triefende Sprichwort, auf dessen Bewahrheitung man am Ende der Projektion genau genommen allerdings nur hoffen kann.
(Katalogtext, Antonia Rahofer)

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