Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

FilmprogrammRegisseur:innen | Spielplan

 

Montag, 08.04.
17:30 Uhr, Schubertkino 1

Milchwald

Spielfilm, DE 2003, DCP, 86 min, OmeU
Sammelprogramm: POSITION C. Hochhäusler Milchwald

Eine Stiefmutter (Judith Engel) setzt nach einem Streit ihre zwei Kinder im deutsch-polnischen Grenzland am Straßenrand aus. Als sie umkehrt, sind das Mädchen und der Bub verschwunden, was die Frau dem Vater verschweigt. Während sich die Kinder einem fahrenden Händler anschließen, beginnt die verzweifelte Suche nach ihnen. Christoph Hochhäuslers Kinodebüt, eine moderne Variation des Märchens von Hänsel und Gretel, ist ein rätselhaftes Roadmovie über das fortschreitende Gefühl von Verlorenheit und Verlust.

Deutschland, ein Sommermärchen. Silvia (Judith Engel), eine gar nicht böse Stiefmutter, fährt mit ihren zwei Kindern zum Einkaufen ins nahe gelegene Polen. Die Stimmung ist gereizt, die Atmosphäre im Auto angespannt. Das ältere Mädchen Lea (Sophie Charlotte Conrad) gibt sich aufsässig, lehnt die Stiefmutter offen ab. Ihr jüngerer Bruder Konstantin (Leo Bruckmann) begnügt sich damit, die Situation zu erdulden. Als diese schließlich eskaliert, setzt Silvia die Kinder kurzerhand auf einer Landstraße am Feldrand aus – und fährt weiter. Wenige Minuten später drängen sie das schlechte Gewissen und die Vernunft zur Umkehr, doch Lea und Konstantin sind verschwunden.

Zurück im neu gebauten Eigenheim verschweigt Silvia ihrem Mann Josef (Horst Günter Marx) den Vorfall. Die Angst, etwas Unrechtes getan zu haben, wird immer größer. Als der Vater von der Schule über das Verschwinden der Kinder informiert wird, beginnt die bald hoffnungslose Suche nach den Geschwistern. Denn diese sind in einem Wald jemandem begegnet, der zwar nicht in einem Knusperhäuschen wohnt, aber mit seinem Lieferwagen im Grenzland unterwegs ist.

Christoph Hochhäuslers Kinodebüt Milchwald ist ein von Hänsel und Gretel, inspiriertes modernes Märchen, das von alten Mythen und Geheimnissen erzählt. Doch mehr noch erweist sich die gemeinsam mit Benjamin Heisenberg geschriebene Erzählung als realistisches Roadmovie, in dem die einzelnen Stationen der Reise wie zufällige Kreuzungen erscheinen: Der polnische Lieferant, auf den die Kinder im nächtlichen Wald treffen und der sie nicht bei der Polizei abliefert, sondern für sie Lösegeld verlangt, ist weder klassischer Entführer noch Retter in der Not. Der Vater, der sich erfolglos auf die Suche macht, erkennt die konfrontativen Spannungen innerhalb der Familie viel zu spät. Und die Stiefmutter, überfordert mit ihrer neuen Rolle, reagiert ohnmächtig bis zur Selbstaufgabe.

Beispielhaft für das Kino der Berliner Schule fängt Milchwald anhand seiner Schauplätze präzise das Gefühl von Verlust angesichts einer neuen, kapitalistischen Ordnung ein: ein unfertiges Wohnhaus, das keine Geborgenheit bietet; schäbige Telefonzellen und Raststätten im Niemandsland; ein Amphitheater als Relikt einer untergegangenen Epoche. Es sind „starke Effekte neben ganz zarten Ideen“, so Hochhäusler, die diesen Film prägen. Einen Film, dessen Rätsel letztlich ungelöst bleibt und den man deshalb selbst zu einem Ende bringen muss. (Michael Pekler)

Die restaurierte Fassung des Filmes ist als DCP zu sehen. 

Regie: Christoph Hochhäusler
Buch: Christoph Hochhäusler, Benjamin Heisenberg
Darsteller:innen: Judith Engel, Horst-Günter Marx, Miroslaw Baka, Sophie Charlotte Conrad, Leonard Bruckmann
Kamera: Ali Olay Gözkaya
Schnitt: Gisela Zick
Originalton: Thorsten Bolzé
Musik: Benedikt Schiefer
Szenenbild: Maximilian Lange
Kostüm: Birgitt Kilian
Produzent:innen: Clarens Grollmann, Mario Stefan
Produktion: Fieber Film
Weltvertrieb: Filmgalerie 451
Uraufführung: Berlinale Forum 2003
Produktionsformat: analog - 16mm

 

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