Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

FilmprogrammRegisseur:innen | Spielplan

 

Dienstag, 09.04.
11:00 Uhr, Schubertkino 1

Dreileben – Eine Minute Dunkel

Spielfilm, DE 2011, DCP, 90 min, OmeU

Als ein verurteilter Sexualstraftäter im Krankenhaus zum Leichnam seiner verstorbenen Pflegemutter gelassen wird, gelingt ihm die Flucht vor seinen Bewachern. Während er sich im Thüringer Wald versteckt, übernimmt ein Kommissar die Verfolgung – und rollt den Fall neu auf. Christoph Hochhäuslers Beitrag zu einer gemeinsam mit Dominik Graf und Christian Petzold entworfenen Filmtrilogie lebt von einer albtraumhaften und vielschichtigen Dunkelheit, die das Genre des deutschen Fernsehkrimis sonst tunlichst vermeidet.

Am Anfang von Christoph Hochhäuslers Projekt stand ein Mailwechsel mit seinen Regiekollegen Dominik Graf und Christian Petzold, aus dem eine gemeinsame Trilogie von Fernsehfilmen namens Dreileben hervorging. So heißt auch der fiktive Ort in Ostdeutschland, der die Filme miteinander verbindet, ebenso wie ein Kriminalfall, der aber nur in Hochhäuslers Beitrag wirklich im Vordergrund steht. Es geht um einen verurteilten Sexualstraftäter namens Molesch (Stefan Kurt), der sich im Krankenhaus von der Leiche seiner Pflegemutter verabschieden darf und dabei seinen Bewachern entflieht. Halb verrückt vor sich hin stammelnd irrt Molesch durch den nahe gelegenen Wald, während ein gesundheitlich angeschlagener Kommissar (Eberhard Kirchberg) die Verfolgung aufnimmt – und auf Ungereimtheiten in Moleschs Fall stößt.

Wie im tristen deutschen Fernsehen und seinem Lieblingsformat, dem Krimi, eine eigene Handschrift finden? Indem man nicht nur die Handlung filmt, sondern ihre Umgebung: den verregneten Himmel, die Grillpartys, die biederen Einrichtungen der Wohnungen. Und indem man all die Details akzentuiert, für die sich das Fernsehen sonst nicht interessiert, wie Ameisenhügel und weggeworfene Feuerzeuge im Unterholz. Besonders wichtig ist hier der Thüringer Wald, Heimat von Mythen, Hexen und Geistern der jüngeren Vergangenheit, wo schon mal Nebelschwaden aus Höhlen quellen. Für Molesch wird die Flucht zu einer Reise in die eigene Vergangenheit, während die entscheidende Minute auf dem Überwachungsvideo, das zu seiner Verurteilung führte, im Dunkel bleibt …

Gerade das titelgebende Dunkel ist es, das Hochhäusler fasziniert. Da sind die verdunkelten Leerstellen in der Handlung und in Moleschs Psyche, da ist die Dunkelheit der Häuser der Kindheit oder einer Nacht am Lagerfeuer, in dem Sexmagazine verbrannt werden. Eine Dunkelheit, die für den kranken Kommissar und den in die Enge getriebenen Verurteilten zum gemeinsamen Terrain wird – und der Handlung des Krimis eine unheimliche, fast magische Note verleiht. (Philipp Stadelmaier)  

Regie: Christoph Hochhäusler
Buch: Christoph Hochhäusler, Peer Klehmet
Darsteller:innen: Stefan Kurt, Eberhard Kirchberg, Imogen Kogge
Kamera: Reinhold Vorschneider
Schnitt: Stefan Stabenow
Originalton: Michael Busch
Musik: Bert Wrede
Szenenbild: Renate Schmaderer
Kostüm: Renate Schmaderer
Produktion: Heimatfilm
Koproduktion: Auftragsproduktion für den Westdeutschen Rundfunk (WDR)
Uraufführung: Berlinale Forum 2011
Produktionsformat: digital

 

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