Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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Asyl – Szenen aus einem Milieu
Dokumentarfilm, AT 1973, 29 min., dOF
Diagonale 2023

Regie: Bernhard Frankfurter
Kamera: Helmut Fibich, Alfons Wassmuth
Originalton: Wilhelm Prem
Weitere Credits: (Impulse, Folge 17) ORF-Erstausstrahlung: 27.12.1973 Sprecher: Bernhard Frankfurter Produktionsleitung: Verena Eder Redaktion: Hans Preiner
Produktion: ORF

 

Die Vertreibung aus dem Paradies ist kein konventionelles Künstlerporträt, sondern dokumentiert die Entstehung des gleichnamigen Gemäldes von Franz Ringel. Der Schaffensprozess wird nicht losgelöst vom Alltag des Malers gezeigt, vielmehr fragt der Film danach, was den Künstler antreibt. Davor erkundet der Kurzfilm Asyl – Szenen aus einem Milieu die Lebensumstände in einem Elendsviertel von Graz, dem berüchtigten Barackenlager Nord.

Bernhard Frankfurter begleitet den befreundeten Maler Franz Ringel mit der Kamera über drei Monate bei der Arbeit im Atelier und im Leben. Dabei entsteht ein Film, der heißt wie das Bild. Ein Tafelbild. Ölkreide auf Holz. Die üblichen Kulturdokus, meint Ringel, „zeigen Künstler beim Schmähmalen, die vorm fertigen Bild sitzen und am Himmel ein Blau anlegen“. Die Vertreibung aus dem Paradies hingegen setzt sich mit Künstler und Werk auf tiefschürfende Weise auseinander, zeigt den Schaffensprozess nicht losgelöst vom Alltag des Malers, sondern fragt danach, was ihn antreibt und wie das Bild gemacht ist: „Wir haben ein Bild, das von Anfang bis zum Ende vor der Kamera gemalt wird. Es ist auf Holz, Größe 170 × 280, gemalt, der eigentliche Film beginnt damit, dass Papier aufgezogen wird. Man sieht, dass das Aufziehen schwer ist, dass die Platte schwer ist, und dann beginnt’s, vom ersten Strich bis zum Schluss.“
Ringel stammt, wie Frankfurter, aus Graz. Dem Dreh hat der Künstler zugestimmt, weil ihn der Zugang des bewegten Bildmediums zur Malerei mehr interessiert als noch ein weiterer Katalog: „A Buach blattelt ma um, oba an Füm kannst ned umblatteln.“
Gerüst von Ringels Bildern ist immer der Brustkorb, am Torso eines Menschen beginnt der Aufbau. In dem Fall sind es zwei, Adam und Eva, beide intersexuell: „Warum soll der Adam keine Tutteln haben, meine Figuren haben immer alles.“ Nur selten verlässt der Film das Wiener Atelier. Dann sitzt Ringel mit seinen Künstlerfreunden – darunter Reinhard Priessnitz und Joe Berger – am Stammtisch bei der Lindenwirtin. Freundschaften sind ihm wichtig, er verewigt sie auch in seinem Gemälde, rechts die Freunde, links die Feinde.
Malen ist eine sehr ernste Sache, und genau das ist es, was Frankfurter ebenso ernsthaft in seinem Film dokumentiert, nämlich das, was der Künstler preiszugeben bereit ist: „Ich versuche immer, Situationen herzustellen, wo die Menschen entdecken, dass es nicht darum geht, von sich ein möglichst gutes Bild herzustellen, sondern dass sie entdecken, dass die Arbeit im Film und vor der Kamera eine Ausnahmesituation herstellt, in der sie sich selbst begegnen. Dass daraus, was ansonsten das Verschüttete ist, ans Licht treten und sogar Bild werden kann.“
Die Vertreibung aus dem Paradies ist ein außergewöhnlich dichter, warmherziger Film. Angst sei sein Grundthema, bekennt Ringel, da sehe er eine Parallele zu Hieronymus Bosch, dessen Figuren er vor einem der Bilder im Kunsthistorischen Museum analysiert: „Sie werden gemartert, gefoltert, sind aber nicht verzerrt, leiden aber nicht wirklich.“ Am Schluss bearbeitet er sein eigenes, eben fertiggestelltes Bild mit der Rasierklinge: „Das tut der Figur ganz gut, sie freut sich.“ Es kommen Sammler zu Wort, aber sein Marktwert interessiert den Künstler reichlich wenig. „Verkaufen ist wie Wegschmeißen mit Gewinn“, sagt Ringel einmal, „das Paradies seh ich in der Malerei selber, in der Tätigkeit.“
Zum Auftakt: Asyl – Szenen aus einem Milieu , eine aufwühlende Folge aus der Sendereihe Impulse . Schauplatz ist die Grazer Triestersiedlung, genauer: das übel beleumundete Barackenlager Nord in der Kapellenstraße. Dort hausen Großfamilien in einem einzigen Zimmer. Bewohner*innen kommen zu Wort, unter ihnen Frau Feiertag und Herr Wendl. Bis zur nächsten Wasserleitung sind es dreißig Meter, bis zum Klo hundert. Daneben ist eine moderne Hochhaussiedlung aufgezogen worden. Eine andere Form von Paradies? Mitnichten!
(Katalogtext, Brigitte Mayr, Michael Omasta)

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