Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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Marko Feingold – Ein jüdisches Leben
Dokumentarfilm, AT 2021, Schwarzweiß, 114 min., dOF
Diagonale 2022

Regie: C. Krönes, F. Weigensamer, C. Kermer, R. Schrotthofer
Buch: Florian Weigensamer, Christian Krönes, Roland Schrotthofer
Darsteller:innen: Marko Feingold
Kamera: Christian Kermer
Schnitt: Christian Kermer
Originalton: Felix Sturmberger, Jürgen Kloihofer
Sounddesign: Felix Sturmberger, Jürgen Kloihofer
Produzent:innen: Christian Krönes, Florian Weigensamer, Susanne Krönes
Produktion: Blackbox Film & Medienproduktion GmbH

 

Mit 106 Jahren war der 2019 verstorbene Marko Feingold der älteste Jude Österreichs. Er hat vier Konzentrationslager überlebt und es zeitlebens als seine Aufgabe betrachtet, die Erinnerung an den Holocaust wachzuhalten, Leugner*innen zu konfrontieren. Anhand eines langen Interviews ist hier nicht nur den unsäglichen Erlebnissen eines Menschen zu lauschen – Marko Feingold – Ein jüdisches Leben gewährt auch einen komplexen Einblick in gesellschaftliche Gemütszustände. Gestern wie heute.

„Ich bin heute 105 Jahre alt und immer noch am Leben. Obwohl ich in meinem Leben schon viele Male gestorben bin“, sagt Marko Feingold gleich zu Beginn von Marko Feingold – Ein jüdisches Leben. 2019 verstorben, war Feingold, der langjährige Präsident der Jüdischen Kultusgemeinde der Stadt Salzburg, der älteste Jude Österreichs. Insgesamt sechs Jahre seines Lebens hat er in Konzentrationslagern zugebracht. Auschwitz, Neuengamme, Dachau und Buchenwald lauten die Namen der Orte, an denen Dinge geschahen, die ihn auch mehr als siebzig Jahre später noch immer schweißgebadet aus dem Schlaf hochfahren ließen.
Seine Aufgabe sei es, an die Vergangenheit zu gemahnen, meint Feingold im Film. Und zwar so lange, bis es niemanden mehr gibt, der den Holocaust leugnet. Dass dies immer geschah, noch immer geschieht, beweisen Auszüge aus Briefen, welche die vier Regisseure des Films – Christian Krönes, Florian Weigensamer, Christian Kermer und Roland Schrotthofer – zwischen die langen schwarz-weißen Interviewsequenzen montiert haben. Aus dem Zusammenschnitt mit Archivausschnitten verschiedener US-amerikanischer Aufklärungsfilme, propagandistischem Material aus Nazideutschland sowie dokumentarischen Aufnahmen historischer Ereignisse entsteht ein komplexes Bild.
Am eindringlichsten aber wiegen die Schilderungen Feingolds. Etwa vom berüchtigten Tag im März 1938, als Adolf Hitler auf dem Wiener Heldenplatz empfangen wurde: von feindlicher Übernahme keine Spur. Feingold weiß das sicher, denn zwischen euphorisierten Massen habe er gestanden und gelegentlich applaudiert, um nicht aufzufallen: „Man hat halt alles geglaubt. Und ich mittendrin. Ein Jude allein.“ Österreich, das davor wenig politisiert gewesen sei, in dem Mischehen üblich waren und auch der gemeinsame Kinogang von Juden, Jüdinnen und Antisemit*innen, verfiel in einen radikalen Taumel.
Nach der Befreiung 1945 schlug ihm in Salzburg Ignoranz entgegen: Wenigstens habe er in den Lagern keine Bombardierungen erleben müssen. Ja, wahrscheinlich sei es ihm sogar besser ergangen als den Zivilist*innen in der Stadt. Marko Feingold – Ein jüdisches Leben wirft Fragen nach einer gesellschaftlichen Verfasstheit auf, in der Gedankengänge wie diese möglich waren und wahrscheinlich noch sind. Aus Auschwitz berichtet Feingold: „Das waren gar keine Menschen. Sie hatten nur Gesichter wie Menschen.“
Eine endgültige Antwort auf das „Warum?“ kann natürlich auch diese filmische Erzählung nicht geben. Aber im Wechsel zwischen schwer erträglichen Episoden und vergnüglicheren Anekdoten aus Feingolds Jugend liefert sie wertvolle Anhaltspunkte.
(Katalogtext, cw)

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