Those Shocking Shaking Days
Dokumentarfilm, AT/BA 2016, Farbe, 88 min.
Diagonale 2016
Regie, Buch, Kamera, Schnitt: Selma Doborac
Originalton: Originalton (teilweise auch bosnisch, italienisch, französisch) sowie stumm
Sounddesign: Originalton
Weitere Credits: Sprecher, deutsch: Paul Kraker
Produzent:innen: Selma Doborac
Produktion: Selma Doborac
Bestes Sounddesign Dokumentarfilm 2016
Ein Film über Krieg, über die Frage nach dessen medialer Repräsentation, über Verantwortlichkeit und Schweigen. Über Schrecken, die sich unserem Verstand entziehen. Those Shocking Shaking Days ist eine beeindruckende und ungewöhnliche Antikriegsdoku. Gezielt überlastet sie die Betrachter/innen mit herausfordernden Fragen: Durch die Verweigerung von visueller Explizität drängt sie, das Bild textlich überfrachtend, zur kritischen Reflexion von Darstellungskonventionen und eigenen Bilderwartungen.
(…) Selten führte ein Film das für uns Menschen symptomatische Ringen zwischen emotionaler Überforderung und intellektuellen Verarbeitungsmechanismen derart drastisch vor Augen. Unermüdlich legen sich sprachliche Formulierungen über Bilder, stellen sich dem reinen Anschauen geradezu in den Weg, als wollten sie darauf hinweisen, dass es erst noch etwas zu bewältigen gäbe, ehe man sich den ergreifenden Bildern überlasse, deren Wortlosigkeit vom Betrachter als Aufforderung missverstanden werden könnte, er möge das Denken vorübergehend abschalten. Und umgekehrt: Was vermag die Sprache angesichts bestimmter Bilder?
Als Beispiel für Krieg und seinen Kontext dient Selma Doborac der Bosnienkrieg der 1990er Jahre, in dessen Zusammenhang die Medien eine bis dahin nicht erreichte Rolle spielten. Folgerichtig spricht sie den Zuschauer als medialen Empfänger an und damit in einer Eigenschaft, die ihn, ohnmächtig gegenüber einer Unzahl kritiklos konsumierter Bilder, in gewisser Weise bereits zum Kriegsteilnehmer hat werden lassen.
Den Krieg zitiert Selma Doborac anhand authentischen VHS-Materials, das inmitten des Krieges aufgenommen wurde. Zwei Formen der Dokumentation des Kriegsgeschehens treffen dabei aufeinander: Ein Teil erweckt den Anschein, er sei für die mediale Aufarbeitung angefertigt worden, der andere stammt von ortsansässigen Chronisten. Den Folgen dieses Krieges widmet sie sich, neben einer Fülle unterschiedlichen Textmaterials, in von ihr erstellten, dokumentarischen 16mm-Bildern, die mit Architektur angereicherte Landschaften zeigen.
(Hanno Millesi)
sixpackfilm.com
Ist die kritische Betrachtung eines Krieges zum Beispiel durch Poetizität oder durch Visualität zu bewerkstelligen oder wäre es ratsam eindeutige Begriffe und Bilder zu Gunsten der kritischen Betrachtung eines Krieges tendenziell auszulassen? Wenn in einem Text oder einem Film, vermittels seiner Machart, scheinbar die Referenzialität zum Realen fehlte, wäre somit auch eine Wahrheitssuche überflüssig, da sich darin keine Bezugspunkte zum Tatsächlichen – dem Gräuel beispielsweise – finden ließen? Oder würde eine dahin tendierende Machart eines Textes oder eines Films Rückschlüsse auf die Problematik des Versuchs einer Beschreibung, eines Zeigens der Komplexität des Bösen zulassen? (Selma Doborac)
Eine herausfordernde Überlastung mit Diskursen und Fragen, eine frustrierende Verweigerung von visueller Explizität. Angesichts einer solchen existenziellen Thematik erscheinen Provokation und Uneindeutigkeit als adäquate Methoden, um die Betrachter/ innen zu kritischem Denken zu drängen. (mk)