Diagonale
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Homo Sapiens
Dokumentarfilm, AT 2016, Farbe, 94 min., kein Dialog
Diagonale 2017

Regie, Kamera: Nikolaus Geyrhalter
Schnitt: Michael Palm
Originalton: Tonmischung: Alexander Koller
Sounddesign: Peter Kutin, Florian Kindlinger
Weitere Credits:
Recherche Drehorte: Simon Graf
Recherche: Maria Arlamovsky
Produzent:innen: Nikolaus Geyrhalter, Michael Kitzberger Wolfgang Widerhofer Markus Glaser
Produktion: Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion

 

Bestes Sounddesign Dokumentarfilm 2017

Was bleibt, wenn der Mensch einmal nicht mehr ist? Diese Frage liegt Homo Sapiens zugrunde, Nikolaus Geyrhalters Hommage auf den Verfall, das bereits Verbrauchte, aber noch nicht Verschwundene der Zivilisation. Der Mensch ist vollkommen abwesend, aber in dem, was er hinterlassen hat, formiert sich das Bild einer Spezies, die in allen Himmelsrichtungen, tief im Boden und auf vereisten Bergspitzen ihre Anwesenheit markiert hat. Ein Dokument unserer Welt, in der wir schon keine Rolle mehr spielen.

Am Anfang sehen wir in mühsamer Kleinstarbeit zusammengefügte Mosaikbilder aus einem sowjetischen Prunkbau, auf denen Menschen abgebildet sind – Bilder, die der Mensch von sich selbst gemacht hat, Bilder, wie er sie von sich selbst sehen, verbreiten, in die Zukunft tragen möchte. Sanft werden sie vom Wasser umspielt, die ersten Steinchen lösen sich aus dem Gesamtbild.
Der Rest des Films folgt dieser Spur, wobei er nicht die künstlerisch gestalteten Bilder der Gemälde, des Theaters, des Kinos in den Fokus nimmt, sondern den Menschen anhand der architektonischen Spuren seiner Zivilisation zu beschreiben sucht. Wir sehen verlassene Konsumpaläste, verfallene Freizeitparks, verwüstete Arbeitsplätze, verrottete Universitäten und Schulen, geisterhafte Gefängnisse und Militärkomplexe, leere Wartehallen und Transportwege, überwachsene Müllhalden. Der Mensch ist vollkommen abwesend in diesen Bildern, aber in dem, was er hinterlassen hat, formiert sich ein Bild; von einer Spezies, die in allen Himmelsrichtungen, tief im Boden und auf vereisten Bergspitzen ihre Anwesenheit markiert hat.
Homo Sapiens fordert uns auf, neunzig Minuten einem Dokument unserer Welt beizuwohnen, in der wir schon keine Rolle mehr spielen. Keine Kamerabewegung, die irgendetwas Lebendigem folgen müsste, fast keine Bewegungen im Bild, die die Länge der Einstellungen vorgeben oder den Übergang von einem zum anderen narrativ legitimieren würden. Einzig die Geräusche (und vereinzelt auch das Sichtbarwerden) von Insekten, Vögeln, dem Wind und dem Regen beleben die stillen Tableaus. Mit beängstigender Distanz und völlig gleichgültig sehen wir auf die Reste dieser Welt, als wäre man ein Archäologe aus der Zukunft oder einer anderen Welt, der eine fremde Zivilisation zu entschlüsseln sucht. Alles wird zur Chiffre, zum Zeichen, zu einem Code, der Lesbarkeit verspricht: Größenwahnsinnig muss er gewesen sein, der Mensch, überbordend, imposant und von sich selbst eingenommen.
In Homo Sapiens begegnen wir der Absurdität solcher Selbstbilder, wenn sie bereits im Verfall begriffen sind. Gerne hätte man, dass dieser Film von einer nicht allzu nahen Zukunft erzählt, und weiß doch, dass seine Bilder im Hier und Jetzt entstanden sind.
(Katalogtext, Alejandro Bachmann)

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