Caravan
Dokumentarfilm, AT 2024, Farbe, 94 min., OmeU
Diagonale 2024
Regie, Buch: Lucy Ashton
Kamera: Fawad Akbari, Marwand Mohamadi, Najib Mohamadi, Samim Mohmand
Schnitt: Samira Ghahremani
Musik: Andreas Hamza, Stefan Holzer
Sounddesign: Andreas Hamza
Weitere Credits: Schnittberatung: Gernot Grassl; Zusätzlicher Schnitt: Julia Sternthal, Esther Fischer; Zusätzliche Kamera: Lucy Ashton; Übersetzung: Wasil Faizi, Abdulrab Habibyar, Sayed Tamim Wadan, Ikramia Tolwak, Sayed Ekram Tolwak; Story Consultant: Nadene Ghouri
Produzent:innen: Lucy Ashton
Produktion: Rasselas Productions
„Die Karawane bewegt sich wieder“ heißt das Lied, das die vier afghanischen Flüchtlinge, die in Österreich um Asyl angesucht haben, immer wieder anstimmen. Von der Journalistin Lucy Ashton ermutigt, ihr Leben mit einer Handykamera als Videotagebuch festzuhalten, filmen die Freunde ihren unsicheren Alltag zwischen Behördengängen, kleineren Jobs und wechselnden Unterkünften. Doch auch wenn die Hoffnung verloren geht, gibt es eine Sicherheit: die Kraft der Freundschaft.
„Ich wurde in einen Krieg geboren. Ich war drei oder vier Jahre alt, als ich das erste Mal Schüsse hörte“, erinnert sich Samim Mohmand, während er in der Küche das Abendessen vorbereitet. Es bebt keine Beklommenheit in seiner Stimme. Es ist ein nüchterner Kommentar über sein altes Leben. Er und seine Landsmänner Fawad Akbari, Marwand Mohamadi und Najib Mohamadi kamen mit zahlreichen anderen Flüchtlingen aus Afghanistan nach Österreich. Über den Balkan bis nach Traiskirchen, dann weiter nach Wien.
Doch die Mühlen der österreichischen Behörden mahlen langsam. Die vier Männer warten noch immer auf positive Bescheide, als sie 2019 die Journalistin Lucy Ashton treffen. Sie ermutigt sie, ihr Leben mit einer Handykamera festzuhalten. Der dokumentarische Fokus, die Auswahl des Gezeigten und des Nichtgezeigten obliegen fortan den vier Freunden. 2020, mit Beginn der Pandemie, beginnt ihre Reise in Form eines Videotagebuchs. Sie wird sich bis in die Gegenwart ziehen.
„Die Karawane bewegt sich wieder“ heißt das Lied, das die vier immer wieder anstimmen. Eine ständige Bewegung ist auch der Film. Die Aufnahmen sind ein Mosaik aus wechselnden Unterkünften, Jobs und Behördengängen. Die Männer arbeiten als Übersetzer, im Lebensmittelladen, bei Hygiene Austria, später bei der Westbahn. Doch es ist ein Leben in Unsicherheit. Die alte Heimat löst ambivalente Emotionen aus, in der neuen muss man sich an den Status als unerwünschter Außenseiter gewöhnen.
Dieses In-der-Luft-Hängen nimmt schon früh eine Wendung, als Samim und Fawad positive Bescheide bekommen, die Anträge von Najib und Marwand aber abgelehnt werden. Fortan entfaltet sich die Erzählung in verschiedene Richtungen. Die einen sind „angekommen“, die anderen müssen erneut Asylanträge stellen und rutschen in eine Abwärtsspirale: Konfrontation mit der Polizei, ein Versteck bei Freunden und die Einquartierung in Camps. „Man verliert die Hoffnung.“
Fortschreitende Desillusionierung macht sich bemerkbar, ausgelöst durch das jahrelange Warten, aber auch durch die Erkenntnis, wie schnell 2022 die Grenzen für die Ukrainer:innen geöffnet wurden. „Demokratie gilt nur für sie“, klagen die Freunde über die europäische Politik. „Die Karawane zieht weiter“ heißt es dagegen stets für sie. Die Frage, die sich im Laufe des Films stellt, ist, ob sie je wirklich zur Ruhe kommen wird. (Susanne Gottlieb)