Fräulein Else
Spielfilm, DE/AT/IN 2013, Farbe, 70 min., OmeU
Diagonale 2014

Regie: Anna Martinetz
Buch: Anna Martinetz nach der Novelle von Arthur Schnitzler
Darsteller:innen: Korinna Krauss, Michael Kranz, Martin Butzke, Marion Krawitz, Katalin Zsigmondy
Kamera: Jakob Wiessner
zusätzliche Kamera: Frank Meyer
Schnitt: Heike Parplies, Anna Martinetz
Originalton: Martial Kuchelmeister
Musik: Markus Lehmann-Horn
Kostüm: Anna Sophie Howoldt, ANSOHO Berlin
Produzent:innen: Alexandra Böhm, Toni Nottebohm
Produktion: HFF München
Ein Millionärskreis hat die Krise nahezu schadlos überstanden und urlaubt im indischen Luxushotel. Auch Else findet als Begleitung ihrer Tante Eingang in die betuchte Gesellschaft. Um ihren Vater vor der Verhaftung wegen finanzieller Untreue zu bewahren, soll sie einen Familienfreund um ein Darlehen bitten. Doch dieser offeriert ein unmoralisches Tauschgeschäft. Anna Martinetz übersetzt Arthur Schnitzlers Finanzkrisen-Novelle in die Neuzeit – Fräulein Else zwischen Werktreue und filmischem Experiment.
www.else-film.comFilmgespräch mit: Anna Martinetz
Katalogtext Diagonale 2014:
Ein Millionärskreis hat die Krise nahezu schadlos überstanden
und urlaubt in einem indischen Luxushotel. Die zwanzigjährige
Else findet als Begleitung ihrer Tante Eingang in die betuchte
Gesellschaft. Um ihren Vater vor der Verhaftung wegen finanzieller
Untreue zu bewahren, soll sie den Familienfreund
Dorsday um ein Darlehen bitten. Doch dieser offeriert ein
unmoralisches Tauschgeschäft.
„Ich sehe die Möglichkeit einer Fusion mit kollateralem
Vorteil“, leitet der Geschäftsmann seine Forderung an Else in
konstruiertem Wirtschaftssprech ein. Anna Martinetz übersetzt
Arthur Schnitzlers Finanzkrisen-Novelle in die Neuzeit und
übt sich in der subtilen Verschränkung nur vermeintlich
widersprüchlicher Welten: von Film und Literatur, Fiktion und
Dokument, Emotion und Stilisierung. Schnitzlers Italien der
1920er-Jahre weicht einem Indien der Gegenwart, dessen im
Kolonialstil errichtete Hotelbauten sich jeder konkreten
Zuschreibung entziehen und den Protagonist/innen als artifiziell
anmutende Bühne dienen. Die Künstlichkeit im Inneren der
Anlage steht im Kontrast zum indischen Alltag in den Straßen,
der sich über Beobachtungen fast wie nebenbei in den Handlungsverlauf
einfügt. So ist Fräulein Else werktreue Adaptionund Experiment zugleich. Ohne den sprachlichen Gestus des
Originals zu überwerfen stützt Martinetz ihre Dramaturgie auf
sehr filmische Inszenierungsformen. Wenn sich das Sonnenlicht
in poetischen Unschärfen der Kameralinse spiegelt und sich
der basslastige Modern India-Soundtrack über die urbane
(Geräusch-)Kulisse legt, verschwimmen die Grenzen zwischen
Prosa, Theater, Film und Wirklichkeit. (red)
Arthur Schnitzlers Novelle ist revolutionär, da sie einer der ersten kontinuierlichen inneren Monologe der deutschsprachigen Literatur ist. Sie wurde geschrieben, als die Welt gerade in die erste Weltfinanzkrise schlitterte. Daher kam die Entscheidung, die Novelle heute in diesem historischen Augenblick neu zu verfilmen, da die zweite Finanzkrise die Welt in Schrecken versetzt hat und sich neue Arten des subjektiven Storytellings entwickeln. (Anna Martinetz)
Hochinteressant, aufregend, überraschend, irgendwie irres Setting in einem globalisierten Hotel. Noch ganz gebannt. (Dominik Graf)