Sarah und Sarah
Spielfilm, AT 2013, Farbe, 70 min., OmeU
Diagonale 2014

Regie, Buch: Peter Kern
Darsteller*innen: Traute Furthner, Margarethe Tiesel, Florian Hanel, Stefanie Fürstenberg
Kamera: Peter Roehsler
Schnitt: Markus Gotzmann
Originalton: Benjamin Kalisch
Musik: Gustav Mahler u. a.
Szenenbild: Peter Buchegger
Kostüm: Agnes Hamvas
Weitere Credits: Produktionsleitung: Georg Aschauer
Produzent*innen: Michael Klangvoll
Produktion: Kulturfabrik Austria
Eine 82-jährige demente Schauspielerin. Ein krebskranker Junge, der sich Sarah nennt und nur noch wenige Tage zu leben hat. Über Vermittlung einer Pflegerin strandet das scheinbar ungleiche Duo in der Wohnung der Alten. Gemeinsam – mal gegeneinander, mal inniglich vereint – verweigern die beiden fortan die Diktate von Konvention und Trauer. Erhobenen Hauptes schreiten sie in Richtung eines selbstbestimmten und unumgänglichen Exodus.
www.peterkern.netFilmgespräch mit: Peter Kern
Katalogtext Diagonale 2014:
Die Kamera umkreist eine Statue: Mit Fingerzeig Richtung
Himmel ragt da ein Engel in die Wolken – wie ein Sinnbild für
das Streben der titelgebenden Protagonist/innen von Peter
Kerns jüngstem Spielfilm.
Die eine, Sarah Kulmbach, war in der Nazizeit eine gefeierte
Aktrice. Heute leidet die 82-Jährige an Demenz – zumindest ist
das der Begriff, den die Gesellschaft für deren scheinbar
verwirrtes Handeln erdacht hat. Eine Gesellschaft der Scheinheiligkeit,
die sich im gewohnt unverhohlenen Tonfall Peter
Kerns selbst entlarvt. „Säue, Säue, Säue“, skandiert die Alte und
wirkt nicht verwirrt, sondern kampflustig und klar im Kopf.
Die andere Sarah ist ein Junge, der sich nach seiner verstorbenen
Mutter nennt und auf der onkologischen Station dem
baldigen Ende entgegenblickt. Über die Vermittlung von Mizzi,
seiner dem Alkohol zugeneigten Pflegerin (großartig: Margarethe
Tiesel), strandet Sarah an der Seite seiner knapp siebzig Jahre
älteren Namensvetterin.
Gemeinsam – mal gegeneinander, mal inniglich vereint – verweigern
die beiden fortan das Diktat der Konvention und mit ihm
die Todestrauer, die sich über die Dramatik des Soundtracks und
die schweren Schwarz-Weiß-Bilder einstellt. In der Wohnung
der Kulmbach driften sie in einem reinen Zustand des Seins, der
sonst nur den Kindern bestimmt ist. Kern verschaltet dabei Bilder voll unmittelbarer Körperlichkeit mit Brechts Gedicht
„An die Nachgeborenen“. Erhobenen Hauptes und (gewaltsam)
von äußeren Zwängen befreit, schreiten seine Protagonist/innen
über die fein säuberlich arrangierten Blumenbeete der Bürgerlichkeit
– in Richtung eines selbstbestimmten Exodus. (red)
Der Mensch ist ein Teil des Lebens, aber entfremdet sich immer mehr von seinen wahren Bedürfnissen. Ein ausgedachtes Leben ist kein freies Leben. Viele Menschen merken gar nicht, dass sie nur mehr ein Abfallprodukt einer Idee von Leben geworden sind. Drei Menschen stehen im Mittelpunkt unseres Films, alle sind sie mit dem Abschied beschäftigt. Und trotzdem ist ihre Situation komisch, voll mit Lebensfreude, und wird vom Humor des Alltags getragen. Meine Intention war es, keinen tieftraurigen Film zu drehen. Ungewöhnliche Begegnungen führen Menschen zusammen, die das Leben gezeichnet und verletzt hat. Der Kampf mit dem Tod wird zur Befreiung. (Peter Kern)