Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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Soldat Ahmet
Dokumentarfilm, AT 2021, Farbe, 76 min., OmeU
Diagonale 2021

Regie, Buch: Jannis Lenz
Darsteller:innen: Ahmet Simsek, Margot Vuga u. a.
Kamera: Jakob Fuhr
Schnitt: Jannis Lenz, Roland Stöttinger, Nooran Talebi
Originalton: Benedikt Palier
Musik: Benedikt Palier
Sounddesign: Benedikt Palier
Weitere Credits: Dramaturgische Beratung: Tizza Covi
Produzent:innen: David Bohun, Lixi Frank
Produktion: Panama Film

 

Ahmet gelingt es nicht, zu weinen. Er ist Soldat beim Bundesheer, Sanitäter, Sohn türkischer Einwander/innen, begabter Boxer und nun auch Schauspieler. Ein Mensch mit vielen Facetten, dessen Porträt Jannis Lenz mit ausreichend Raum gezeichnet hat. Es vermag, Ahmets Stärke und Vehemenz, aber auch seine Zartheit und seinen Humor zu fassen. Nach und nach gibt sich jemand preis, ohne blankzuziehen. Ein Film, der zwischen den Zeilen spricht, vor allem aber durch seine Bilder.

„Do yourself a favor: become your own savior / And don’t let the sun go down on your grievances“, singt Daniel Johnston im Abspann von Jannis Lenz’ Soldat Ahmet. Sich selbst zu retten, an den eigenen Sorgen nicht zu verzweifeln – das hat Ahmet, den Lenz seit 2014 kennt und den er für seinen Film über ein Jahr begleitet hat, gelernt. Trotzdem konnte sich im emotionalen Reservoir des 29-Jährigen etwas anstauen, ein Schmerz, den er gern rauslassen würde, der aber festzustecken scheint. Ahmet schafft es nicht, zu weinen. Vielleicht bleibt ihm auch schlicht keine Zeit dafür: Er ist Soldat beim Österreichischen Bundesheer, dort Sanitäter, erfolgreicher Boxer, Sohn türkischer Einwander/innen und nun auch Schauspieler. Für letztere Profession legt man ihm ein „Sei sanft mit dir“ ans Herz. Aber so leicht ist das nicht. An einem Abend erzählt er beim Essen im Kreis seiner Familie, dass er vergangene Nacht auf gerade einmal drei Stunden Schlaf gekommen sei. Es gehe ihm einfach zu viel im Kopf umher.
Ahmet ist eine markante Erscheinung, die doch wandelbar ist; eine zunächst vermutete Verschlossenheit erweist sich schnell als Trugschluss. Dennoch ist ein Panzer spürbar, der sich auch in Form eines Haustiers durchs Bild schleicht: Ahmets Schildkröte, von ihm sanft gestreichelt. Vielleicht gilt die Geste auch ihm selbst? Von derart zärtlichen Momenten jedenfalls ist der Film immer wieder gespickt. Etwa wenn ein kleiner Zitronenfalter wie aus dem Nichts plötzlich vor einer Einheit des Bundesheeres auftaucht und unbefangen seines Weges flattert. Soldat Ahmet ist ein vielschichtiges, sich klar und doch subtil aufbauendes Porträt. Es nimmt sich sowohl auf tonaler Ebene (Benedikt Palier) als auch auf dramaturgischer (Tizza Covi) Raum für Assoziation und Spiel. Es wird seinem Protagonisten in all seinen Facetten gerecht.
Nicht zuletzt deswegen, weil ein spannender Energietransfer auszumachen ist, für den insbesondere die Szenen während der Schauspielstunden stehen. Ahmet sucht hier nach den verlorenen Tränen und findet im Zuge dessen über die Sprache einen neuen Zugang zu seinen türkischen Wurzeln. Und es sprechen andere Schauspieler aus, wofür ihm selbst eventuell die Worte fehlen: „Ein Soldat hat keine Gefühle! Ein Soldat ist immer stark! Ein Soldat weint nie! Ein Soldat ist aus Stahl! Und ein Soldat bleibt aus Stahl, auch wenn er eingeschmolzen wird!“ Bei Jannis Lenz hat beides Platz – der Stahl und das Schmelzende. Ahmet wird fassbar, ohne dass versucht würde, ihn in eine Form zu pressen. Seine Kraft, seine Konzentration schwingen aus sich selbst heraus.
(Katalogtext, cw)

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