Die Kinder der Toten
Spielfilm, AT 2019, Farbe, 92 min., OmeU
Diagonale 2019

Regie: Kelly Copper, Pavol Liška
Buch: Kelly Copper, Pavol Liška
Darsteller:innen: Andrea Maier, Greta Kostka, Klaus Unterrieder
Kamera: Kelly Copper, Pavol Liška
Schnitt: Kelly Copper, Liška
Originalton: David Almeida-Ribeiro
Musik: Wolfgang Mitterer
Sounddesign: Matz Müller
Weitere Credits: Buch, Kamera, Regie und Schnitt: Nature Theater of Oklahoma
Produzent: Ulrich Seidl
Künstlerische Mitarbeit: Claus Philipp
Co-Schnitt: Michael Palm
Tongestaltung: Matz Müller
Mischung: Tobias Fleig
Komponist: Wolfgang Mitterer
Herstellungsleitung: Daniela Trauner, Georg Aschauer
Produktionsleitung: Teresa-Saija Wieser
Producer USFP: Claus Philipp, Georg Aschauer
Mit Unterstützung von: Österreichisches Filminstitut, Land Steiermark, CINE ART: Kultur Land Steiermark in Zusammenarbeit mit: ORF Film/Fernseh-Abkommen, Produktion: Ulrich Seidl Filmproduktion © Wien 2019 in Zusammenarbeit mit Steirischer Herbst 2017
Produzent:innen: Ulrich Seidl
Produktion: Ulrich Seidl Filmproduktion GmbH
In der filmischen Adaption von
Elfriede Jelineks Opus magnum
„Die Kinder der Toten“ durch das
Nature Theater of Oklahoma werden
heimatliche Idyllen gespenstisch
untergraben: Was mit malerischen
Super8-Aufnahmen vom Ferienparadies
Obersteiermark beginnt,
entpuppt sich nach und nach als
trashiger Horrorheimatfilm, in dem
die Untoten auferstehen und die
Dorfbewohner/innen zwingen, sich
mit ihnen auseinanderzusetzen.
Dabei wird der Film zur Hommage
auf das Kino als Ort, an dem die
Erinnerung fortlebt.
Ein schaulustiges Grüppchen hat sich an der
Unfallstelle versammelt, an der ein holländischer
Touristenbus mit einem Auto zusammengestoßen
ist, und beobachtet das brennende Unglücksszenario
mit einer Mischung aus Sensationsgier und
Angstlust. „Schon der dritte Unfall diesen Monat“,
meint einer der Gaffer. Der Tod hat Einzug gehalten
in die Obersteiermark. Schleichend zunächst,
in Form von gruseligen Palatschinkenfratzen und
rohem Schnitzel im Gasthof Alpenrose, später als
entfesselter Zombiezug toter Einheimischer. In der
filmischen Adaption von Elfriede Jelineks Opus magnum
„Die Kinder der Toten“ durch das Nature Theater
of Oklahoma um Kelly Copper und Pavol Liška im
Rahmen des steirischen herbstes 2017 werden
heimatliche Idyllen gespenstisch untergraben: Was
mit malerischen Super8-Aufnahmen vom Ferienparadies
Obersteiermark beginnt, entpuppt sich nach
und nach als Horrorheimatfilm, in dem die Untoten
auferstehen und die Dorfbewohner/innen zwingen,
sich mit ihnen auseinanderzusetzen.
Eine Sekretärin sieht sich mit einer bösartigen
Doppelgängerin konfrontiert und treibt ihre Übermutter
in den Wahnsinn. Ein verbitterter Förster wird
von seinen Söhnen verfolgt, die schon vor Jahren
Selbstmord begangen haben. Eine Naziwitwe kreiert
in einer alten Fabrik ein CINEMA 666, in dem die
Vergangenheit hemmungslos beweint werden kann.
Und eine Gruppe hungriger syrischer Poeten dringt
als Fremde in den Dorfkosmos ein. Zum Schluss: die
Wiederkehr der Getöteten – allesamt auch Opfer der
österreichischen und europäischen Geschichte.
Das New Yorker Künstlerkollektiv drehte mit
666 Rollen Super8-Film und rund achtzig Laiendarsteller/
innen in obersteirischen Kindheitsorten der
Nobelpreisträgerin rund um Neuberg an der Mürz.
Die Kinder der Toten ist nicht nur eine äußerst witzige
Mischung aus trashigem Splatter und Schauermärchen,
sondern erzählt in seiner analogen
Machart auch einiges über das Medium Film und
seine Geschichte. Wie beim Stummfilm gibt es auf
der Tonebene nur Musik zu hören, bei der sich in die
heimischen Bläserklänge Wolfgang Mitterers experimentelle
Schauertöne mischen. Schwarze Schrifttafeln,
auf denen die Jelinek’schen Sprachspielereien
auf die Spitze getrieben werden, unterbrechen die
Sequenzen, die in ein orgiastisches Fest der Lebenden
und der Toten münden. Dabei gerät der Film zur
Hommage auf das Kino als Ort, an dem das Kontinuum
der Geschichte endgültig aufgelöst ist. Erinnerung,
die schmerzt, erschreckt und notwendig ist.
Heute genauso wie im Jahr 1995, als Jelineks Werk
als Reaktion auf die politische Debatte um das postnazistische
Erbe erschien.
(Katalog, ast)
Dank an Gaulhofer – Fenster und Türen