Exit ... Nur keine Panik
Spielfilm, AT/BRD 1980, Farbe, 102 min., dOF
Diagonale 2019

Regie: Franz Novotny
Buch: Gustav Ernst, Franz Novotny
Darsteller*innen: Hanno Pöschl, Isolde Barth, Paulus Manker, Eddie Constantine, Peter Weibel
Kamera: Alfio Contini
Schnitt: Eliska Stibrova
Musik: Otto M. Zykan
Prügeln, saufen und vögeln! Im
Gegenheimatfilm Exit … Nur keine
Panik spielen Hanno Pöschl und
Paulus Manker zwei draufgängerische
Kleinganoven, die durch
ein Wien zwischen Underground,
Filmzitat und Aufbegehren gegen
die Kleinbürgerenge delirieren. Ein
rotziges Vorstadtpanorama! Ein
unverschämtes Loblied auf den
Wiener Strizzi! Ein Skandalfilm und
Riesenerfolg, der Pöschl in seiner
wohl besten Strizzirolle zeigt!
Der Sommer liegt schwer über der Peripherie
von Wien, es ist nichts los. Kirchhoff (Hanno Pöschl)
und Plachinger (Paulus Manker) fahren in einem
gestohlenen Cadillac durch den Wiener Prater und
ziehen eine Spur der Verwüstung. Die zwei Kleingangster
und Aufreißer sind Kumpels, aber eigentlich
kämpft jeder nur für sich – um Mädchen, Geld,
Träume. Was sie begehren, nehmen sie sich, und
was sie nicht achten, demolieren sie. Dabei träumt
Kirchhoff eigentlich von einer recht bürgerlichen
Existenz mit eigenem Kaffeehaus. Die dafür nötige
Espressomaschine hat er schon gestohlen und löst
damit eine Kette von chaotischen Ereignissen aus.
Die beiden Draufgänger delirieren durch ein Wien
zwischen Underground, Filmzitat und Aufbegehren
gegen die Kleinbürgerenge. Deus ex Machina ist hier
die Langeweile selbst – die ungeahnten kreativen
Kräfte, die sie freisetzt, kultiviert der Regisseur in
seinem legendären genießerisch rotzigen Vorstadtpanorama.
Novotnys erster Kinofilm war Skandal
und Kassenschlager und setzte den damals üblichen
biederen TV-Idyllen ein dreistes Gegenbild entgegen.
Wer den völlig entfesselten Hanno Pöschl in seiner
besten Strizzirolle sehen will, kommt an dem Kultfilm
nicht vorbei.
(Katalogtext, red(
„Kann man sich bei euch vaginamäßig ein bisserl
wichtig machen – oda wos is?“ Nicht nur mit verbalen
Tiefschlägen arbeiten sich die Strizzis Kirchhoff
und Plachinger durch Novotnys ersten Kinofilm. Es
wird geprügelt, geschossen, gevögelt, gekotzt und
nebenbei von einem bürgerlichen Dasein geträumt.
Die kreativ-zerstörerischen Kräfte der Langeweile
zelebrieren die Protagonisten in der „aggressiven
Idylle“ der Wiener Vorstadt mit entsprechender Wucht
und fast tödlichen Wuchteln. Ein wüstes Fest der
Austro-Anarchie, ein Veitstanz rund um die Verletzlichkeit,
bei dem es immer gilt, die Form zu wahren:
„Red ned so ordinär, du Oaschloch!“
(Silvia Breuss)
Exit … Nur keine Panik ist die Geschichte zweier
großkotziger Kleinstganoven, die ein halbes Jahrhundert
amerikanischen Gangsterfilm nachspielen:
ein unverschämtes Loblied auf den Wiener Strizzi
und pubertären Anarchismus – aus einer Zeit, als der
österreichische Film nicht nur eine Sprache, sondern
auch noch seinen eigenen Dialekt besaß.
(Michael Omasta)
Wüstes, Wildes und Verrücktes ist angesagt,
wenn Hanno Pöschl über die entblößten Oberweiten
einer jungen Dame gebeugt ankündigt: „Jetzt
kummt glei des Vogerl“ und „Jetzt spüts Ramona“.
(…) In weiterer Folge taumelt dann noch ein wahrer
Reigen einschlägig berühmter Kunst-Prominenz
durch ein zunehmend delirierendes, episodisches
Geschehen. Das Hotel Morphila Orchestra heult „Liebe
ist ein Hospital“. Der Experimentalfilmemacher
Kurt Kren onaniert und klammert sich als einsamer
Voyeur förmlich an sein Fernglas. Der Dramatiker
und Drehbuchautor Peter Turrini verkauft Würstel.
Die „Rose vom Wörthersee“, eine Nationalhymne
fürwahr, ist zum affektierten Transvestiten-Auftritt
mit Happening-Charakter mutiert. Über derartige
Geschmacksentgleisungen und jähe Gewaltausbrüche
von Kirchhoff und Plachinger klagen allenfalls
Kleinbürger mit Glatze und/oder Bauchansatz:
„Sauerei. Sauerei. So a Sauerei. Frechheit. Sauerei.“
(Claus Philipp, „An Austrian Picture Show“, in: Gottfried
Schlemmer (Hg.): Der neue österreichische Film, Wien
1996)