Anna
Innovatives Kino kurz, AT 1981, Schwarzweiß, 40 min., dOF
Diagonale 2019
Regie: Linda Christanell
Das Programm eröffnet Einblicke in
den unabhängigen experimentellen
feministischen Film Österreichs der 1970er- und 1980er-Jahre. Es zeigt
Arbeiten, die, ganz augenfällig ohne
aufwendige Budgets gedreht, einen
gesellschafts-, einen patriarchatskritischen
Impetus hatten und
diesen Impuls ausspielten.
Das Programm eröffnet Einblicke in den unabhängigen
experimentellen feministischen Film
Österreichs der 1970er- und 1980er-Jahre. Es zeigt
Arbeiten, die, ganz augenfällig ohne aufwendige
Budgets gedreht, einen gesellschafts-, einen patriarchatskritischen
Impetus hatten und diesen Impuls
ausspielten. Auf ihre Weise sind sie „Spielfilme“. Das
möchten wir zur Geltung bringen: die Leichtigkeit, in
der sich eine Distanz zur Last herrschender Strukturen
ausdrückte, den Mut, sich die Freiheit zu nehmen, diese
Strukturen einfach zu ignorieren oder ins Lächerliche
zu ziehen. Daran zu erinnern wird im Kontext der
Institutionalisierung von Frauenemanzipation und
des wachsenden Anspruchs an den Staat, Probleme
rechtlich zu lösen, relevant. Relevant auch angesichts
der neuen Normierungen des politisch Korrekten,
nicht zuletzt im Film. Diese inzwischen historischen
Filme haben eine Aktualität. Sie verwerfen die alten
Normierungen und Gebote, ohne neue aufzustellen.
Es sind Filme von unten, die sich von da aus nicht zu
einer abermaligen Dominanz erheben. Last, not least
stellt dieses Programm dem technologischen Bohei
und der scheinbaren Perfektion des digitalen Kinos
ein unaufwendiges, imperfektes Kino entgegen.
Anna von Linda Christanell steht am Anfang.
Der Film nimmt die Frauenrolle der Vorfahren, der
Mütter und Großmütter, wahr und vergegenwärtigt
sie. Vor unseren emanzipierten Augen erscheint das
Eingeschlossensein im Haus, erscheint die endlose
Wiederholung gleicher Tätigkeit, erscheint die
Gefangene. Zugleich erhebt der Film sich nicht über
jene „unemanzipierte“ Frau. Er entfaltet vielmehr eine
Empathie mit der Eingeschlossenen über eine Liebe
zu den Dingen, die die Kamera entdeckt und umwirbt.
Dinge, die Hände von Frauen produzierten und in
denen sie ihr Leben verwirklicht haben; und ihr Leiden.
Den Aufbruch der Frauen wie auch der Männer
verkörpert Die Geburt der Venus von Moucle Blackout.
Der Film ist eine Ode an die 1970er-Jahre: sexuelle
Befreiung, Hippiekultur, on the road. Wir pfeifen auf
die Psychotherapie und verwenden den Rorschachtest
als Spielzeug im filmischen Bogen von Botticellis
Gemälde „Die Geburt der Venus“ zur Fotografie des
verunfallten, noch als im Tod liebenswerten Schweins.
Lisl Pongers The Four Corners of the World ist ein
Aufbruch in die weite Welt. Ohne Worte verlebendigt
dieser Film das Gefühl von Freiheit – das die Frau mit
der Kamera erlebte und das im dunklen Raum des
Kinos wiederkehrt. Der Atem im Schauen. Batman
fliegt als kleiner Mann auch mal durch die große Welt,
die der Film unserem Blick eröffnet.
Sich selbst darzustellen nach all den Männerbildern
von Frauen. Dieser Wille verbindet sämtliche
Filme des Programms. Selfportait von Maria Lassnig
fokussiert darauf. Jedoch verbünden sich Zeichenstift
und Kamera, um die Vorstellung einer Identität, einer
weiblichen Identität zu enttäuschen.
Die Super-8-Girl Games sind Ursula Pürrer und
Angela Hans Scheirl. Auch Mara Mattuschka. Alle
drei mischen den fotografischen Film mit Handzeichnungen
auf, mit Handkratzern und Tuschstiften auf
dem Filmmaterial. Doch auch vor der Kamera tut sich
einiges. Übermütige Bloßstellungen der Körper, gymnastische
Übungen zum Spott der Muskelmänner,
das weibliche Geschlecht genießt sich. Und der Kopf
klagt an, klagt seine Zurichtung an.
(Karola Gramann und Heide Schlüpmann)