Animal
Spielfilm, GR/AT/RO/BG/CY 2023, Farbe, 116 min., OmeU
Diagonale 2024
Regie, Buch: Sofia Exarchou
Darsteller:innen: Voodoo Jürgens, Dimitra Vlagopoulou, Flomaria Papadaki, Ahilleas Hariskos
Kamera: Monika Lenczewska
Schnitt: Dragos Apetri
Originalton: Odo Grötschnig
Musik: Wolfgang Frisch
Sounddesign: Sebastian Watzinger, Rudolf Gottsberger
Produzent:innen: Lukas Rinner, Maria Drandaki, Maria Kontogianni, Laura Sterian, Stelios Kammitsis, Vicky Miha, Ivan Tonev
Produktion: Nabis Filmgroup
Koproduktion: Homemade Films (GR), Digital Cube (RO), Felony Productions (CY), ARSDigital Studio (BG)
Kalia (Dimitra Vlagopoulou) arbeitet schon seit vielen Jahren als Animateurin in einem griechischen Ferienort, Eva (Flomaria Papadaki) stößt neu zu dem Team, das in Hotelanlagen und Clubs Tourist:innen mit oft hochgradig sexualisierten Showeinlagen in Stimmung bringt. Regisseurin Sofia Exarchou erzählt von einem System, das nicht auf Solidarität, sondern auf Konkurrenz gründet – aber auch von Menschen, die trotz allem ihre Hoffnung auf sexuelle Unabhängigkeit und ein besseres Leben nicht aufgeben wollen.
„Yes Sir, I can boogie …“: Mit vollem Körpereinsatz muss zur Sache gehen, wer in der Welt der Animateur:innen bestehen will. Schon in den abstrusen Showtänzen vor Hotelgästen fortgeschrittener Jahrgänge haben die Schlüsselreize präsent zu sein: Brust raus, „shake that ass“ und immer schön lächeln. Wer das Glück hat, nachts in den Clubs ein paar Scheine zusätzlich verdienen zu können, darf auch vor handgreiflichem Verhalten auf Schaumpartys und simuliertem Koitus nicht zurückschrecken. Wenn Kalia (Dimitra Vlagopoulou), Eva (Flomaria Papadaki) und die anderen anschließend in ihren bescheidenen Schlafräumen unter sich sind, machen sie sich schon einmal über unbeholfene Tourist:innen lustig und singen statt Let’s Get it On polnische und russische Schlager. Der Alkohol fließt jedoch weiterhin in Strömen, und auch das Primat der Sexualisierung legen die Körper nicht so schnell ab.
Animal ist ein Film aus dem Inneren des Kapitalismus. Keineswegs hat Regisseurin Sofia Exarchou vor, das System des Massentourismus aus einer vermeintlich überlegenen Außenperspektive abzuurteilen. Weder werden besonders missliche Arbeitsbedingungen angeklagt, noch besonders lächerliche Tourist:innen vorgeführt. Vielmehr geht es darum, einige der Kraftfelder fühlbar zu machen, die das System am Leben erhalten. Dazu gehört auch die Hoffnung auf sexuelle Unabhängigkeit und ein besseres Leben. Nur dass der Kapitalismus noch in seiner Trichtersaufen-und-Sandstrand-Ausprägung nicht auf Solidarität, sondern auf Konkurrenz gründet.
So folgen wir hier einem Leben ohne Ziel und einer Reise ins Ungewisse. Die Mittdreißigerin Kalia, die bereits seit vielen Jahren mit denselben Tänzen immer neue Tourist:innenhorden umgarnt, nähert sich dem Ende dieser Reise; die 17-jährige Eva, in der sich Kalia vielleicht ein bisschen selbst erkennt, steht an ihrem Anfang. Vorläufig sind sie noch zwei Kreaturen der Nacht, glitzernde Körper, die alles daransetzen, im Meer der pumpenden Bässe, pulsierenden Lichter und begehrlichen Blicke nicht unterzugehen. (Lukas Foerster)