Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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Catherine the Great
Spielfilm, GB 1934, Schwarzweiß, 93 min., eOF
Diagonale 2013

Regie: Paul Czinner
Buch: Arthur Wimperis, Marjorie Deans nach dem Schauspiel „Die Zarin“ von Lajos Biro und Melchior Lengyel
Darsteller:innen: Elisabeth Bergner, Douglas Fairbanks jr., Flora Robson, Irene Vanbrugh, Diana Napier, Sir Gerald du Maurier
Kamera: Georges Pérnial
Schnitt: Harold Young, Stephen Harrison
Originalton: A.W. Watkins
Musik: Muir Mathieson, Ernst Toch (ungenannt)
Produzent:innen: Alexander Korda, Ludovico Toeplitz
Produktion: London Films

 

Kurz nach seiner Premiere wurde diese märchenhaft anmutende Verschmelzung von Historienepos, Melodram und Komödie in Deutschland von den Nazis verboten, wegen der „nicht-arischen“ Hauptdarstellerin Elisabeth Bergner. Diese agiert in dieser balletthaften Inszenierung als deutsche Prinzessin, die zwischen Militärparade und Revolution zur gewieften und volksnahen russischen Zarin heranwächst.

Katalogtext Diagonale 2013:

Sankt Petersburg anno 1745: Zarin Elisabeth ärgert, dass ihr verschwenderischer Neffe und Thronerbe Großherzog Peter sich lieber dem leichten Leben und dem Alkohol hingibt, anstatt sich mit königlichem Blut zu vermählen. Da sich Peter der von seiner Tante arrangierten Ehe mit der zierlichen und unerfahrenen deutschen Prinzessin von Anhalt- Zerbst-Dornburg nicht auf Dauer entziehen kann, willigt er schließlich in die Heirat ein, verbringt aber sogleich die Hochzeitsnacht mit einer anderen. Katharina gewinnt ihn zurück, indem sie vorgibt, sich mit 17 Liebhabern („s’vn-teen“, schnurrt Elisabeth Bergner, hier in ihrem ersten rein englischsprachigen Film) am Hof vergnügt zu haben – ganz wie ihr treuloser Gemahl. Als die Zarin stirbt, wird Peter zum tyrannischen Herrscher über Russland. Katharina verbannt er kurzerhand in ein Kloster. Zerrissen zwischen ihrer Liebe zu Peter als auch zu Russland fasst sie einen Entschluss: Sie organisiert eine Rebellion gegen den mittlerweile vollständig dem Wahnsinn Verfallenen und lässt ihn in Haft setzen, um noch mehr Unheil abzuwenden, doch auf dem Weg dorthin wird er ermordet. Nun muss Katharina, ob sie will oder nicht, „die Große“ und Zarin von Russland werden.

Catherine the Great erlebt im März 1934, nur wenige Wochen nach der Uraufführung in England, auch in Wien und im Berliner Capitol am Zoo seine deutsche Premiere. „Spontane Kundgebungen“ der SA haben zur Folge, dass der Film am darauffolgenden Tag für ganz Deutschland verboten wird. Der braune Krawall richtet sich vor allem gegen die „nichtarische“ Hauptdarstellerin. „Elisabeth Bergner gehört zu jenen Filmdarstellern, die im neuen Deutschland nicht mehr arbeiten können. Der neue Großfilm, in dem man sie nun sieht, ist in London unter der Regie Paul Czinners hergestellt worden. Auch in Wien wird eine englische Fassung vorgeführt, in die deutsche Titel eingefügt sind. Aber trotzdem wirkt das Spiel der Bergner wie immer.

Man merkt: dieser Film ist ihr auf den Leib geschrieben worden“, bemerkt der Rezensent im sozialdemokratischen „Kleinen Blatt“, um dann auf die klar politische Aussage des Films einzugehen. „Uneingeschränkt zu loben ist die Tendenz dieses Werkes. Da sieht man den halb wahnsinnigen Zaren mit seinen Generälen im Kriegsrat. Man entwirft Aufmarschpläne, man beschließt Schlachten. Bis der Irrsinnige plötzlich sagt: ,Was wird Iwan Iwanowitsch dazu sagen?‘ Und niemand weiß, wer Iwan Iwanowitsch ist. Die Generäle wissen es nicht, der Zar weiß es nicht. Aber Bergner-Katharina weiß es. Iwan Iwanowitsch ist der namenlose russische Soldat, der unbekannte russische Bauer, der auf den Schlachtfeldern Europas stirbt und nicht einmal weiß, wofür er verblutet. Und da hat die Bergner einen erhabenen Moment – als sie diese Worte sagt: ,Iwan Iwanowitsch will das alles nicht. Iwan Iwanowitsch will den Frieden. Iwan Iwanowitsch will arbeiten und für seine Kinder sorgen.‘“

Ein umwerfender Film: ein Historienepos typisch Korda’schen Zuschnitts, Melodram und, mehr noch, Komödie in einem. Sujet und Szenerie sind vom Realismus weg ins leicht Märchenhafte entrückt, das Russland des 18. Jahrhunderts ist ganz offensichtlich ein Produkt gewiefter Kinoarchitekt/innen, Kostümzeichner/innen und Kameraleute, in deren „gesofteten“ Bildern sich Filmgeschichte dokumentiert. Die brillante, fast choreografische Regie in den Militärszenen, ob Parade oder Revolution, trägt das Ihre zum unwirklich schönen Flair des Films bei. Die balletthafte Präzision, mit der Czinner hier seine Statist/innen wie auch Stars in Szene setzt, scheint bereits seine Opernfilme der 1950er- und 1960er-Jahre vorwegzunehmen. (Brigitte Mayr und Michael Omasta)

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