303
Spielfilm, DE 2018, Farbe, 145 min., OmeU
Diagonale 2019

Regie: Hans Weingartner
Buch: Hans Weingartner, Silke Eggert
Darsteller*innen: Mala Emde, Anton Spieker
Kamera: Mario Krause, Sebastian Lempe
Schnitt: Benjamin Kaubisch, Karen Kramatschek, Hans Weingartner
Originalton: Johannes Kaschek
Musik: Michael Regner
Sounddesign: Fabian Weigmann, Andre Zimmermann
Szenenbild: Ricarda Schwarz
Kostüm: Svenja Gassen
Weitere Credits: Maske: Heiko Schmidt, Janina Kuhlmann
Casting: Lisa Stutzky, Uta Seibicke, Charlotte Roustang
Mitarbeit am Drehbuch: Sergej Moya
Produzent: Hans Weingartner
Koproduzenten: Rainer Kölmel, Simon Amberger, Rafael Parente, Korbinian Dufter, Matthias Bahr, Christine Tschanett-Weingartner
Produzent*innen: Hans Weingartner, Rainer Kölmel, Simon Amberger, Rafael Parente, Korbinian Dufter, Matthias Bahr, Christine Tschanett-Weingartner
Produktion: kahuuna films GmbH
Koproduktion: Starhaus Filmproduktion GmbH (DE)
NEUESUPER GmbH (DE)
Der Mensch ist egoistisch, kompetitiv
und triebgesteuert – davon ist
der 24-jährige Jan überzeugt. Als er
nach Spanien reisen will, um seinen
leiblichen Vater zu treffen, begegnet
er zufällig der gleichaltrigen Jule,
die in ihrem 303-Oldtimer-Wohnmobil
unterwegs ist. Sie nimmt ihn
mit – und das Glück nimmt seinen
stolpernden Lauf. Ein hinreißendes
Roadmovie wie eine Mischung aus
Before Sunrise und Per Anhalter
durch die Galaxis.
Regisseur Hans Weingartner war Wissenschaftler,
bevor er Filmemacher wurde. Und als Richard
Linklater in Wien Before Sunrise (1995) drehte,
arbeitete Weingartner als Produktionsassistent mit.
Nur folgerichtig also, dass Weingartners neuer Film
zwei Menschen zusammenbringt, die sich über den
intellektuellen Austausch ineinander verlieben. Jan
(Anton Spieker) und Jule (Mala Emde, beide einnehmend
natürlich) treffen einander zufällig, als
Jan an einer Tankstelle nach einer Mitfahrgelegenheit
in den Süden sucht. Er möchte seinen Vater in
Spanien besuchen, den er noch nie gesehen hat. Jule
ist in ihrem 303-Oldtimer-Wohnmobil unterwegs,
ebenfalls spontan aufgebrochen an diesem ersten
Sommerferientag, allerdings aus anderen Motiven:
Sie ist ungeplant schwanger. Die Abtreibungspillen
hat sie schon besorgt, aber sie will die Entscheidung
mit ihrem Freund Alex persönlich besprechen, der für
sein Doktorat gerade in Portugal lebt.
Jule nimmt Jan mit – doch trotz gegenseitiger
Sympathie kollidieren die beiden beim Austausch
über ihre Weltanschauungen beinahe im Sekundentakt.
Jan ist überzeugt, der Mensch sei egoistisch,
kompetitiv und triebgesteuert. Jule meint zu wissen:
Die Menschheit eint der Kooperationswille, der Herdentrieb,
die Fähigkeit, selbstlos – und selbstbestimmt
– zu lieben.
Die wichtigsten Szenen dieses Films spielen im
Cockpit des Wohnmobils. Dabei nimmt die Kamera
stets nur Positionen ein, die auch ein/e Mitfahrende/
r einnehmen könnte. Allmählich entsteht dadurch
ein Sog, als würde man sich losgelöst von Raum und
Zeit bewegen. So falsch ist das für Jan und Jule vielleicht
gar nicht: Je intensiver sie sich über die wichtigsten
Themen des Lebens unterhalten (beginnen
immer die „falschen“ Menschen Beziehungen, nur
weil sie sich im Bett gut verstehen?), umso tiefer dringen
sie in eine Sphäre vor, in der sie sich ganz unverstellt
begegnen können. Kein Zufall ist es außerdem,
dass Jan und Jule dieselben Namen tragen wie die
beiden Liebenden in Weingartners größtem Erfolg
Die fetten Jahre sind vorbei (2004). Jule trägt ihre
Kapitalismuskritik offen nach außen, aber natürlich
spürt auch Jan den Druck eines Systems, das man –
das die beiden – ganz anders gestalten könnte/n.
(Katalogtext, az)
Mala Emde und Anton Spieker gelingt das
Kunststück, die Dialoge, an denen Weingartner über
Jahre hinweg gefeilt hat, so rauszuhauen, als seien
sie ihnen gerade erst eingefallen. Im deutschen
Kino sind Roadmovies eigentlich ja immer nur eine
Behauptung. (…) Hier setzt 303 neue Maßstäbe, weil
Weingartner versteht, dass Reisen eine Daseinsform
ist, die Herz und Bewusstsein öffnet.
(Martin Schwickert, zeit.de)