Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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Waldheims Walzer
Dokumentarfilm, AT 2018, Farbe+SW, 93 min., 15.3. OmdU / 17.3. OmeU
Diagonale 2018

Regie, Buch, Kamera: Ruth Beckermann
Schnitt: Dieter Pichler
Sounddesign: Manuel Grandpierre, Rudi Pototschnig
Produzent:innen: Ruth Beckermann
Produktion: Ruth Beckermann Filmproduktion

 

1986, kurz vor der Bundespräsidentschaftswahl: In einer Rückschau blickt Ruth Beckermann auf den Beginn der „Affäre Waldheim“, die einen Wendepunkt in der österreichischen Nachkriegsgeschichte markiert und die Doktrin der Zweiten Republik, lediglich Opfer Hitlers gewesen zu sein, ins Wanken brachte. Ein betörender Essay, montiert aus zusammengetragenem Archivmaterial und wiedergefundenen eigenen Aufnahmen, über individuelles wie kollektives Erinnern und Vergessen.

„Am besten erinnere ich mich an die Szenen, die ich selbst gedreht habe. Das war im Mai 1986.“ Aus dem Off kommentiert Ruth Beckermann das eigene Material, mit dem Waldheims Walzer einsetzt. Halb dokumentierend, halb demonstrierend wohnte Beckermann damals als politische Aktivistin der Abschlusskundgebung des Präsidentschaftswahlkampfs in der Wiener Innenstadt mit einer Kamera bei. Mehr als dreißig Jahre später montiert die Filmemacherin wiedergefundene Aufnahmen mit umfangreich recherchiertem Archivmaterial und zeigt in einer Rückschau medial ausgetragene Debatten um die Auslassungen und Unwahrheiten in Kurt Waldheims Kriegsbiografie, die der Jüdische Weltkongress in New York noch vor der Wahl aufgedeckt hatte. Dabei konzentriert sich der Film auf die Monate März bis Juni 1986 und damit auf jene Zeit, in der mit der „Affäre Waldheim“ die Doktrin der Zweiten Republik, lediglich Opfer Hitlers gewesen zu sein, ins Wanken geriet. Über das Material lotet der dokumentarische Essay österreichische wie internationale Perspektiven und Spannungsfelder aus, stellt Ausschnitte aus Pressekonferenzen und Interviews mit einem sich windenden Waldheim, der sich beharrlich nicht erinnern will, in einen größeren Kontext. Bisher nicht gesendetes Material wie die Sequenz eines Hearings, in dessen Verlauf Waldheims Sohn Gerhard den Vater zu verteidigen versucht, verweisen auf Generationenkonflikte, die im Nachkriegsösterreich zuvor kaum offen ausverhandelt worden waren. „Der Sommer hatte die Stadt in eine Bühne verwandelt. Und in eine Baustelle“, heißt es an einer Stelle aus dem Off. Und an einer anderen schreien wütende Passanten patriotische Sturheit und hetzerische Parolen schamlos in die Kamera. Waldheims Walzer blickt auf die Vergangenheit zurück und ist dabei bedrückend aktuell.
(Katalog,jk)

Das politische Terrain Österreich ist, so absurd es klingt, noch immer vom Nationalsozialismus mitbestimmt. Die „Affäre Waldheim“ war aber die Kehrseite der Phänomene Hofer/Strache und des jetzigen Zustandes. In der „Waldheim-Affäre“ ging es darum, endlich mit der Vergangenheit halbwegs ins Reine zu kommen, d. h. die österreichische Opferlüge aufzubrechen. Man begann endlich, die Beteiligung der Österreicher am Nationalsozialismus aus einer anderen Perspektive zu sehen. Die Wahrheit hat sich schließlich durchgesetzt, auch wenn es lange gedauert hat. (...) Was Hofer und Strache heute tun, ist das Gegenteil: Sie benutzen Elemente aus der Ideologie des Nationalsozialismus, um die Zukunft zu gestalten. Um das zu verdecken, üben sie ein scheinheiliges Gedenken. Das ist das Schlimmste an der aktuellen Entwicklung.
(Ruth Beckermann)

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