Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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Murer – Anatomie eines Prozesses
Spielfilm, AT/LU 2018, Farbe, 137 min., 13.3. dOV / 17.3. OmeU
Diagonale 2018

Regie, Buch: Christian Frosch
Darsteller:innen: Karl Fischer, Alexander E. Fennon, Karl Markovics, Roland Jaeger, Melita Jurisic, Ursula Ofner, Dov Glickman, Inge Maux, Mathias Forberg
Kamera: Frank Amann (bvk)
Schnitt: Karin Hammer
Originalton: Gregor Kienel
Musik: Anselme Pau
Sounddesign: Angelo Dos Santos
Szenenbild: Katharina Wöppermann
Kostüm: Alfred Mayerhofer
Weitere Credits: Maske: Fredo Roeser Casting: Eva Roth Regieassistenz: Katharina Biró
Produzent:innen: Viktoria Salcher, Mathias Forberg, Paul Thiltges, Adrien Chef
Produktion: Prisma Film- und Fernsehproduktion GmbH
Koproduktion: Paul Thiltges Distributions Sarl (LU)

 

Großer Diagonale-Preis Spielfilm 2018

Graz 1963. Wegen Kriegsverbrechen steht der angesehene Politiker und Großbauer Franz Murer, von 1941 bis 1943 als SS-Führer und NSDAP-Funktionär für das Ghetto von Vilnius verantwortlich, vor Gericht. Überlebende des Massenmordes reisen an, um auszusagen und Gerechtigkeit zu erwirken. Vergebens. Christian Froschs fesselndes und erschütterndes Zeitbild basiert auf Originaldokumenten zu einem der größten Justizskandale der Zweiten Republik.

Unvermindert ist die Wucht, mit der in Christian Froschs Murer – Anatomie eines Prozesses die erschütternden Zeug/innenaussagen über die Gräueltaten von Franz Murer, dem „Schlächter von Vilnius“, treffen. Der österreichische Großbauer, Funktionär der NSDAP und SS-Führer, der als einer der Hauptverantwortlichen für die Vernichtung der Juden in Vilnius verantwortlich war, wurde erst 1963 auf die juristische Intervention von Simon Wiesenthal hin in Österreich vor Gericht gestellt. Die Beweislage war erdrückend, doch der Prozess in Graz endete mit einem Freispruch für Murer. Frosch erzählt diese Verhandlung nach, mit 73 Sprechrollen in dichten Passagen und einer mobilen, stets intensive physische Nähe erzeugenden Kamera von Frank Amann. In Hintergrundsequenzen und Parallelsträngen im Umfeld des Prozesses kombiniert Frosch die Agitator/innen – Täter/innen, Opfer, Zusehende – zu einem erschreckenden postnazistischen Zeitbild, in dem, frei nach Hannah Arendt, Tatsachen so behandelt werden, als handle es sich um bloße, vernachlässigbare Meinungen. Unfassbar, wie gegenwärtig all dies ist.
(Katalog,az)

Österreich hat keine Seele und keinen Charakter. Österreich besteht aus Tätern, Zuschauern und Opfern. Sie ergeben niemals einen Volkskörper mit einer kollektiven Seele. Mich interessierte beim Murer-Kriegsverbrecherprozess von 1963 weniger, zum wiederholten Male die Verbrechen des NS-Regimes nachzuerzählen, sondern genau hinzusehen und zu verstehen, wie sich die vom Wesen her grundsätzlich verschiedenen Gruppen (Täter, Opfer und Zusehende) in der Republik Österreich darstell(t)en. Das Spannende ist, dass man hier sehen kann, wie das österreichische National-Narrativ funktioniert(e). Es basiert keineswegs auf Verdrängung. Es wurde bewusst gelogen, verschleiert, verbogen und gesteuert. Nur so konnte man Täter zu Opfern machen und die Opfer zu den eigentlich Schuldigen erklären. Diesem Prozess lag kein seelischer Defekt zugrunde, sondern Kalkül. Wir müssen uns endgültig von der Vorstellung verabschieden, dass der Patient Österreich nur die Fakten in sein Bewusstsein integrieren muss, um den Heilungsprozess einzuleiten. Die Tatsachen waren und sind bekannt. Murer – Anatomie eines Prozesses versteht sich nicht als historisierender, sondern als ein politischer Film. (...) Es ging uns darum, das brisante Material so authentisch wie möglich zum Sprechen zu bringen. Die Interpretation aber dem Publikum zu überlassen.
(Christian Frosch)

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