Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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VERA
Spielfilm, AT 2022, Farbe, 115 min., OmdU
Diagonale 2023

Regie: Tizza Covi, Rainer Frimmel
Buch: Tizza Covi
Darsteller:innen: Vera Gemma, Daniel De Palma, Walter Saabel, Sebastian Dascalu, Annamaria Ciancamerla, Asia Argento
Kamera: Rainer Frimmel
Schnitt: Tizza Covi
Originalton: Tizza Covi
Sounddesign: Manuel Grandpierre
Produzent:innen: Rainer Frimmel
Produktion: Vento Film

 

VERA folgt der titelgebenden Tochter des berühmten Italowestern-Stars Giuliano Gemma auf deren Wegen zwischen der römischen Promiwelt und einer Arbeiterfamilie. Ganz nebenbei porträtiert VERA auch ein Rom jenseits der grande bellezza. Es ist eine Stadt der dunklen Nebengassen, der heruntergekommenen Bezirke und Spielcasinos, die im Schatten berühmter Bauwerke von ebenjenen Widersprüchen erzählen, die auch in Vera arbeiten.

„Man bekommt nichts umsonst in dieser Welt“, sagt Protagonistin und Darstellerin Vera Gemma, und man ist erst mal irritiert. Schließlich hüllt sich die Tochter des berühmten Italowestern-Darstellers Giuliano Gemma vornehmlich in Pelze, kauft golden funkelnde High Heels und wirkt auch sonst nicht wie jemand, der jede Münze zweimal umdreht. Trotzdem gewinnt der Satz von Minute zu Minute, in der Tizza Covi und Rainer Frimmel mit ihrer Handkamera an Veras Fersen kleben, an Wahrheit. Ihr aufreizendes Flanieren durch die römische Promiszene könnte auch ein verlorenes Herumstrolchen sein, ihre
 scheinbare Überheblichkeit Unsicherheit. Nach einem Autounfall versucht sie eine Bindung zum dabei verletzten Sohn einer Arbeiterfamilie aufzubauen. Sie besucht ihn, lernt seinen Vater besser kennen und übernimmt die Mutterrolle. Was anderswo Auftakt zu einer vorhersehbaren Moralparabel wäre, oszilliert hier zwischen einer wie beiläufig gefilmten Alltäglichkeit und der Ambivalenz sämtlicher Figuren. Alles könnte passieren, die totale Katastrophe oder das große Glück, weil sich dieser Film um Menschen dreht und nicht um vorgefertigte Diskurse. Ganz nebenbei porträtiert Vera auch ein Rom jenseits der grande bellezza. Es ist eine Stadt der dunklen Nebengassen, der heruntergekommenen Bezirke und Spielcasinos, die im Schatten berühmter Bauwerke von ebenjenen Widersprüchen erzählen, die auch in Vera arbeiten. Der Glanz und der Abgrund, die Muse und die Verzweiflung. Der Film konfrontiert uns unablässig mit den eigenen Vorurteilen. Man kann eben nicht auf eine Person schauen, man kann nur versuchen zu verstehen, wer sie ist. Dabei wird Vera auch im Film ständig angeschaut, egal ob abschätzig, verstohlen oder sexuell objektiviert. Sie darf kaum Mensch sein, weil sie erst mal Tochter war. Eine Szene mit Asia Argento am Grab von Goethes namenlosem Sohn erzählt davon, genau wie das überdimensionale Gesicht des Vaters auf einem Bild über dem Bett in Veras Wohnung. Ihr Drama ist, dass sie sich angewöhnt hat, wie jemand aufzutreten, der*die angeschaut wird. Sie spielt für sichtbare und unsichtbare Kameras. Eigentlich aber will sie geliebt werden. Das wäre das Einzige, was es eigentlich umsonst gäbe. Covi und Frimmel, denen im Vorjahr die Diagonale-Reihe ‚Zur Person“ gewidmet war, ermöglichen uns und ihr diese Erfahrung von Liebe, weil sie dieser widersprüchlichen Frau vorurteilsfrei auf Augenhöhe begegnen. Das bedeutet keine heile Welt, ganz im Gegenteil, aber sie erheben ihr Kino zur Menschlichkeit. Das ist selten, nicht nur für Vera.
(Katalogtext, ph)

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