Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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HIGHFALUTIN
Dokumentarfilm, AT/DE 2021, Farbe+SW, 96 min., OmeU
Diagonale 2021

Regie: Hans Broich
Darsteller:innen: Volker Spengler, Margarita Broich, Martin Wuttke, Hans Broich, Wieland Schulz-Keil, René Pollesch, Brigitte Landes, Maximillian Brauer, Vaginal Davis, Susanne Sachsse, Marc Siegel, Inga Busch, Anna Heesen, Tina Pfurr, Myriam Brüger, Rainer Will, Traute Hoess, Ludwig Boettger, Waldemar Kobus, Karina Fallenstein, Susan Todd, Mark Kleine, Marie Löcker, Christine Gross, Barbara Krähkamp, Jürgen Kruse, Günther Gerstner
Kamera: Felix Leitner
Schnitt: Felix Leitner
Originalton: Lea Sorgo
Sounddesign: Felix Leitner
Weitere Credits: Tonmischung: Titus Maderlechner
Produzent:innen: Hans Broich
Produktion: Tentakel Industries (DE)

 

Im Diener Tattersall in Berlin-Charlottenburg sitzen Freund/innen, Wegbegleiter/innen und Bewunderer/innen des Schauspielers Volker Spengler (1939–2020) am Stammtisch, geben Geschichten über den Geliebten wie Gefürchteten zum Besten und qualmen die Bude voll. Hans Broichs gemeinsam mit Felix Leitner realisiertem Film gelingt das Zusammenspiel eines andächtigen Gequassels, aus dem nicht nur die Komplexität des Menschen Spengler erwächst, sondern das auch leichtfüßig von der Kunst zu leben kündet.

Wie es in diesem Lokal, dem Diener Tattersall in Berlin-Charlottenburg, riecht, kann man nur erahnen. Man sitzt eng, die Tabaktütchen liegen auf dem Tisch. Es wird Kaffee und Espresso und Bier bestellt. Es ist laut. Und von der Wand gucken einen die Ahn/innen an – Stars, prominente Besucher/innen – und machen das Bild gleich noch ein bisschen voller. Hans Broich, selbst Teil der Runde und an allen Tischen sitzend, hat gerade an der Filmhochschule angefangen. Volker Spengler ist ihm das erste Mal begegnet, als er, Hans, noch ein Säugling war. Broichs Mutter, die Schauspielerin Margarita Broich, weiß eine Anekdote dazu: Immer wieder habe Spengler ihr dazu geraten, Hans abzutreiben. Aber als Hans dann endlich geboren war, sei es Spengler gewesen, der als Erster im Krankenhaus erschien.
Ähnlich ambivalent klingen viele der Erzählungen und Erinnerungen, die sich in HIGHFALUTIN aufeinanderstapeln: Sie haben etwas von Eiskonfekt – Kälte und Süße gehen Hand in Hand. Volker Spengler, dieser riesige Mann, der offenbar garstig und unhöflich sein konnte, gleichzeitig großzügig und höchst empathisch, liefert einen unerschöpflichen Fundus von Geschichten. In Hans Broichs gemeinsam mit Felix Leitner realisiertem Film wohnt man also einem großen Gequassel bei. Wobei der Film sich nicht scheut, all den Freund/innen, Bewunder/innen, Wegbegleiter/innen hin und wieder das Wort „abzuschneiden“. Wie in einer echten Kneipensituation hört man eben auch mal weg, wenn es an anderer Stelle gerade spannender zugeht.
Das gibt dem Ganzen etwas Beiläufiges, Lockeres, obschon auch die Trauer mit am Tisch sitzt: „Volker war …“, beginnen nicht wenige Sätze. Im Februar 2020 ist Spengler gestorben. Sein Werk ist mit der Historie bedeutender Theaterbühnen und der dort Wirkenden verknüpft, vor allem aber mit den Filmen Rainer Werner Fassbinders. Für In einem Jahr mit ­13 Monden (1978) wurde er zur Transsexuellen Elvira Weishaupt, in Satansbraten (1976) zum eigenwilligen Ernst Kranz, der sich in seine Sammlung toter Fliegen versenkt. In HIGHFALUTIN sitzt Spengler nur zeitweise selbst mit am Tisch. Man bestellt ihm ein „großes, leckeres Glas Wasser“.
Im Cambridge Dictionary wird das Adjektiv „highfalutin“ übrigens wie folgt übersetzt: „trying to seem very important or serious without having a good reason for doing so“. Mittels der Berichte über den Abwesenden gibt hier im Diener Tattersall auch jede/r eine Kleinigkeit von sich preis. Zum Schluss quittiert Volker Spengler das Ergebnis dann mit einem schmutzigen Lachen: in einer alten Videoaufnahme, als Gruß aus dem Off.
(Katalogtext, cw)

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