Diagonale
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Ralfs Farben
Innovatives Kino, AT/DE 2019, Farbe, 74 min., dOF
Diagonale 2020

Regie: Lukas Marxt
Kamera: Michael Petri, Lukas Marxt
Schnitt: Michael Petri, Lukas Marxt
Sounddesign: Marcus Zilz
Produzent:innen: Lukas Marxt

 

Diagonale’20 – Die Unvollendete. Die Diagonale’20 wurde aufgrund der behördlichen Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 abgesagt.

Physisch auf Lanzarote beheimatet, mäandert Ralf Lüddemanns Geist zwischen Zukunftswelten und Pharaonenreichen. Mit Ästhetiken so vielschichtig und unberechenbar wie Lüddemann selbst veräußerlicht sich in Lukas Marxts filmischer Stimmungskomposition die Innenweltdynamik eines Schizophrenen. Eine sinnliche Herausforderung, die bewusstseinserweiternd nachhallt.

„Dieser Stift wird in Planetenarbeiten verwendet, um einen Körper zu aktivieren oder zu deaktivieren. Im Wesentlichen bewegen wir uns in unterschiedlichen Planeten und dort wo wir nicht aktiviert sind, machen wir eigentlich auch nichts großartig. Der Körper, vorhanden, und unsere geistige Form, nicht präsent.“ (Ralf Lüddemann)
In gewisser Weise bewegt sich Ralf Lüddemann tatsächlich auf unterschiedlichen Planeten – physisch auf Lanzarote beheimatet, mäandert sein Geist irgendwo zwischen seinem alten Leben in Deutschland, Zukunftswelten im All, Todesäckern und Pharaonenreichen. Nur ein einziges Mal gegen Ende von Lukas Marxts experimentellem Porträt treffen sich körperliche und geistige Form des Protagonisten im selben Raum – ein konfrontativer Realitätseinbruch, der verunsichert. Ansonsten kann man Ralf entweder sehen oder seine Stimme hören. Klare Worte, zerrissene Zusammenhänge: Planetenziele, Halbphantasy, Formel 1, Zeitreisen, ein Neubeginn ohne Ralf. Ein Fluss aus Informationen und Metaphern, der sich nicht sinnvoll erschließen lässt, in dem aber ein poetisches und ein politphilosophisches Moment stecken.
Marxt schreibt die flüchtigen Worte seines Protagonisten als Untertitel ins Bild ein – stellenweise in roten Lettern – und findet gemeinsam mit seinem Kameramann Michael Petri Einstellungen, in denen sich die karge Vulkanlandschaft Lanzarotes zum Seelenraum eines schizophrenen Geistes verdichtet. Von der Science-Fiction-Architektur einer Bananenplantage oder eines kubistischen Wohnkomplexes bis zum irrealen Farbenspiel der Sonne auf überdimensionierten Felsformationen: fremdartiges Territorium, das sich dem rationalen Zugang verschließt. Hineinversetzt in die weitläufigen Areale, die den geistigen Nomaden keine Ruhe finden lassen, erblicken wir Tiefen und Abgründe von erhabener Schönheit, durchlaufen Zustände von Ordnung und Chaos, Leere und Überfülle, Einsamkeit und Ekstase bis zum Informations-Overkill – ein Tanz unterm Stroboskop, loderndes Feuer in der Nacht, hämmernde Synthies zur digitalen Farbexplosion.
Über einen Zeitraum von fünf Jahren haben Marxt und Petri sich Lüddemann regelmäßig angenähert, ihn in seiner Umgebung gefilmt, stundenlange Audioaufnahmen seiner monologisierenden Gedankenspiralen angefertigt und transkribiert. Mit Ästhetiken so vielschichtig und unberechenbar wie der Porträtierte selbst erweist sich Ralfs Farben als gelungener Versuch, die eigenwilligen Innenweltdynamiken des Eremiten und Künstlers in einer filmischen Stimmungskomposition aus Laut-, Schrift- und Bildsprache zu veräußerlichen. Keine Pathologisierung des Protagonisten, sondern eine sinnliche Herausforderung des Publikums, die bewusstseinserweiternd nachhallt.
(Katalogtext, mk)

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