The Big Shave
Spielfilm, US 1967, Farbe, 6 min., stumm
Diagonale 2018
Regie: Martin Scorsese
Buch: Martin Scorsese
Darsteller:innen: Peter Bernuth
Kamera: Ares Demertzis
Schnitt: Martin Scorsese
Musik: Bunny Berigan, 1939
Produzent:innen: Martin Scorsese
Mit Arbeiten von Charles Chaplin,
Georges Franju, Martin Scorsese,
Agnès Varda und Brothers Quay.
Emigration, N.Y. anno 1917. Chaplins erstes
Meisterwerk: die Ankunft des kleinen Tramp im
„gelobten Land“. Noch bevor der Frachter die Freiheitsstatue
passiert, wird Charlie seekrank und Edna
ihrer gesamten Barschaft beraubt. Und wie in jedem
von Chaplins Filmen geht es auch hier ums täglich
Brot: unvergessen die Szene, in der sich Charlie mit
einem anderen Mitreisenden bei schwerem Seegang
eine Suppe teilt – und der Teller zwischen ihnen quer
über den Tisch hin- und herschlingert. „The Immigrant
ist einer der umwerfend komischen, funkelnden
Klassiker aus Chaplins kreativster Phase, der
Gesellschaftssatire, Pathos und virtuose Gags mit
sublimsten Ideen und physischer Geschicklichkeit
vereint“ (Amos Vogel).
Le sang des bêtes ist ein Dokument über den
Pariser Schlachthof in La Chapelle. In aller Sachlichkeit
verfolgt die Kamera das Geschehen und macht
uns zu Kompliz/innen der Grausamkeit. „Wenn
man dieses dampfende Blut und die in Exkrementen
watenden Männer sieht, kann man nicht umhin,
an Vietnam und Konzentrationslager zu denken.
Das Blutbad in den Schlachthäusern wird zu einem
poetischen Symbol der conditio humana.
Franju,
ein engagierter Künstler, Widerstandskämpfer
und
Moralist, will uns alle Bluttaten vor Augen führen, die
überall auf der Welt in unserem Namen von denen
vollbracht werden, die wir bezahlen, damit sie unsere
dreckige Arbeit verrichten, sodass wir unsere Hände
in Unschuld waschen und alle Verantwortung ablehnen
können“ (Amos Vogel).
The Big Shave ist ein nicht allzu versteckter
Angriff auf die bürgerliche Normalität, der sich
auch als Kommentar zu Amerikas Engagement im
Vietnamkrieg
deuten lässt. „Dieser ’kurze amerikanische
Albtraum’ zeigt einen jungen Mann, der sich
stets beflissener, aber sorglos rasiert, bis er sich nach
zahlreichen Schrammen
und Schnitten, die immer
stärker bluten, schließlich die Gurgel durchschneidet“
(Amos Vogel).
Black Panthers wurde im Spätsommer 1968
in den Straßen, in den Parks und im Gefängnis von
Oakland, Kalifornien, gedreht. Anlass waren die Proteste
gegen den Prozess, der Huey Newton, einem
der Anführer der Bewegung, gemacht wurde. „Ein
bedeutungsvolles (und jetzt tragischerweise nostalgisches)
Memento über Amerikas militante schwarze
Bewegung der Sechzigerjahre – über ihre Führer, ihre
Versammlungen, ihre Gefangenen“ (Amos Vogel).
Mit Street of Crocodiles schufen die aus Amerika
stammenden Zwillingsbrüder Stephen und Timothy
Quay ein Meisterwerk des Animationsfilms, das auf
einer Erzählung des fantastischen Schriftstellers
Bruno Schulz basiert, eines polnischen Juden, der
1942 von der Gestapo ermordet wurde. „Ein Tropfen
Spucke, der auf das Okular eines alten Peepshow-
Kinetoskops fällt, erweckt albtraumhafte Puppen
zum Leben und schickt sie auf eine Reise durch bizarre
Ereignisse an zwielichtigen, schemenhaft bleibenden
Schauplätzen. Es sind unheilvolle Gestalten,
Wesen mit Engelsgesichtern und offenen Köpfen, wo
statt eines Gehirns ein Hohlraum klafft, feistwangige
Babypuppen mit starren Augen, die wie geblendet
sind von namenlosem Grauen, das sie nun ihrerseits
neuen Opfern zufügen können. Im Surren der seltsamen
Gerätschaften, in der grausamen Verwandlung
der Puppen und in den schattenhaften, undurchschaubaren
Ereignissen spürt man Europa – die
Welt – an der Kippe“ (Amos Vogel).
(Katalogtext, Michael Omasta, Brigitte Mayr)