Mister Universo
Spielfilm, AT/IT 2016, Farbe, 90 min., OmdU
Diagonale 2017
Regie: Tizza Covi, Rainer Frimmel
Buch: Tizza Covi
Darsteller:innen: Tairo Caroli, Wendy Weber, Arthur Robin, Lilly Robin
Kamera: Rainer Fimmel
Schnitt: Tizza Covi
Originalton: Tizza Covi
Musik: Piero Mirigliano, Mirco Crippa
Sounddesign: Manuel Grandpierre
Produzent:innen: Rainer Frimmel
Produktion: Vento Film
Innovative Produktionsleistung der VAM 2017
In Mister Universo begeben sich Tizza Covi und Rainer Frimmel ins Spannungsfeld zwischen einem Löwenbändiger und einem ehemaligen Mister Universe. Sie begleiten den vermeintlich vom Pech verfolgten abergläubischen Dompteur Tairo auf seiner Suche nach dem entschwundenen Glück, die von allerlei rationalen und irrationalen Kräften bestimmt ist. Im Dazwischen von Fiktion und Dokument werfen Covi und Frimmel einen heiter-melancholischen Blick auf eine im Verschwinden begriffene Welt. Unverkennbares Kino mit Seltenheitswert.
Bereits vor acht Jahren ist uns Tairo Caroli begegnet, in Tizza Covis und Rainer Frimmels La Pivellina, einer dokumentarisch geprägten Erzählung über eine Zirkusfamilie. Damals war Tairo 14 Jahre alt und zeigte schon viel komisches Potenzial, weil er es wie keine/r sonst verstand, zum richtigen Zeitpunkt das Falsche zu tun, ohne deswegen jemals an sympathischer Ausstrahlung einzubüßen. Dahingehend hat sich der Bursche mit dunklem Lockenkopf und signifikantem Machogehabe wenig verändert – im neuen Film von Covi und Frimmel steht er nun im Mittelpunkt der Geschichte.
Mittlerweile im selben Zirkusbetrieb zum Löwenbändiger aufgestiegen, hat Tairo weniger zu tun, als ihm lieb ist, denn so ihm die Tiere nicht aufgrund von Altersschwäche unter der Peitsche wegsterben, ist Dompteur auch nicht unbedingt ein Beruf mit goldener Zukunft. Pechsträhne oder Lauf des Lebens? Tairo ist sich nicht ganz sicher. Ein gebogenes Eisen, das der weltberühmte „Mister Universo“ bei einem seiner bejubelten Auftritte in der Zirkusarena einst der Familie hinterließ, dient ihm längst als lebenswillenwichtiger Talisman. Eine Katastrophe also, als das Eisen eines Tages verschwunden ist. So macht sich Tairo auf die Suche: nach dem Eisen, nach Arthur Robin, der es einst gebogen hat – und nach seinem Glauben, womöglich an sich selbst.
Bemerkenswert fein verzweigt haben die Regisseure Tizza Covi und Rainer Frimmel in bisher vier Filmen – von Babooska über La Pivellina und Der Glanz des Tages bis nun zu Mister Universo – im Milieu des Zirkus-, des Schausteller- und des Darstellerlebens ineinandergreifende Verbindungen geschaffen, die ihre dokumentarisch-fiktionalen Beobachtungen in möglichst einfachen, immer glaubhaften Geschichten mit ganz unterschiedlichen Charakteren unmittelbar erlebbar werden lassen.
Die Reise, die Tairo – heimlich unterstützt von seiner Freundin Wendy – unternimmt und an deren Ende er den mittlerweile 88 Jahre alten Mister Universe tatsächlich findet, wird in Covis und Frimmels Blick zu einem magischen Kaleidoskop alltäglicher Kräfte und ihres Spannungsverhältnisses. Schicksal oder Eigenverantwortlichkeit, Aberglaube oder Selbstvertrauen und sogar Übernatürlichkeit und Wissenschaft prallen aufeinander. Mister Universo ist aber auch ein Film über die Vergänglichkeit. Analog auf Fujifilm gedreht, spricht er nicht nur in dieser Weise über eine vergangene Ära, sondern hält wie beiläufig auch an anderen Dingen fest, die im Verschwinden begriffen sind. Etwa das Innehalten im Vorwärtsgehen.
(Katalogtext, az)