Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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My Talk with Florence
Dokumentarfilm, AT 2015, Farbe+SW, 129 min., OmeU
Diagonale 2015

Regie, Buch: Paul Poet
Darsteller:innen: mit Florence Burnier-Bauer, Paul Poet
Kamera: Johannes Holzhausen
Schnitt: Andi Winter
Originalton: Johannes Holzhausen
Musik: The Laughing Hyenas, Peter Brunner
Produktion: Paul Poet

 

Ein Leben voller Misshandlungen, in der Familie, unterwegs und schließlich in der Kommune Otto Muehls. Geschildert innerhalb von zwei Stunden, ungeschnittenes Material, das inmitten einer unfassbaren Geschichte formale Fragen des dokumentarischen Filmens aufwirft: Wie nähert man sich einem Skandal, wie einem Menschenleben? Die von Protagonistin und Filmemacher gemeinsam vorbereitete Inszenierung verselbstständigt sich in einem Changieren zwischen Beschützen, Erfragen und Verbünden. Voyeurismus und Wahrheitssuche.

Katalogtext Diagonale 2015:
Zwei Stunden lang erzählt Florence Burnier­-Bauer ungeschnit­ten weite Teile ihrer Lebensgeschichte. Ihr klarer Blick, die distanziert­flüssige Erzählweise und ihre körperliche Haltung stehen dabei in starkem Widerspruch zu ihren Worten, einer Geschichte unzähliger Missbräuche. Sie wirkt geübt im Umgang mit ihrer Biografie. Zuweilen ironisiert sie die erlebten Grausamkeiten, wischt sie mit einer Handbewegung weg, während ihre Ausdrucksweise explizit bleibt. Irritierend glatt, ein Zeugnis, das an manchen Stellen fast unerträglich real wird.

Doch da ist noch eine andere Ebene, die Beziehung zwischen Protagonistin und Regisseur. Den Monolog unterbrechen immer wieder Zwischenfragen, die ein Aufschaukeln der Geschichte zur Folge haben. Florence Burnier-­Bauer behält in diesem Kräftemessen stets die Oberhand. Sie erzählt, was sie erzählen will, und verharmlost, wo sie das Ausweichen vorzieht. Im Zwei­felsfall reagiert sie mit Zynismus gegenüber sich selbst, als könnten die Worte sie nicht mehr verletzen. Paul Poet lässt es nicht nur geschehen, sondern hakt nach. An ebendiesen Stellen hat der Film seine unwiderstehlichsten Momente, anziehend und abstoßend zugleich, wenn die filmische Form zwischen behütender Atmosphäre und Lust an der Sensation pendelt und meist beides zugleich ist. Am intensivsten scheint dies die Protagonistin zu brauchen, doch auch der Filmemacher liefert sein Agieren dem Dokumentarischen aus, auf der Suche nach bisher unausgesprochenen Wahrheiten.

War die Form während des Drehs noch unklar, existierten die theatralischen Elemente früh. Der erste Satz der Protagonistin in die Kamera, eine im eigentlichen Sinn misshandelte Puppe im Arm haltend, gibt den Ton vor: „Ich dachte, das macht ein wenig ein schockierendes Bild.“ (di)

Der Erzählstrom reißt einen schon mit, gerade in dieser ansatz­weise Karmakarianischen, sehr rohen, gleichsam „formlosen“ filmischen Zoom­und­-Recherche­-Form. (Stefan Grissemann)

In Realität lebt der Film unter der Oberfläche aus einer komplexen Kombination eines gemeinsam mit Florence entwickelten Thea­termonologs mit einem journalistischen Gespräch und einem filmischen Interview, aus Mitteln der kognitiven Psychologie und Psychotherapie, aus spontaner Lebensbeichte, aus abge­sprochener Eigeninszenierung und Selbstdarstellung. (Paul Poet)

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