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Er flog voraus – Karl Schwanzer | Architektenpoem
Dokumentarfilm, AT 2022, Farbe+SW, 73 min., OmeU
Diagonale 2023

Regie, Buch: Max Gruber
Darsteller:innen: Nicholas Ofczarek
Kamera: Reinhard Mayr, Josef Philipp, Stephan H. Wieder, Cristian Dimitrius
Schnitt: Philipp Mayer
Musik: Moritz Heidegger, Pit Kaufmann
Sounddesign: Lenja Gathmann
Kostüm: Alfred Mayerhofer
Weitere Credits: Maske: Evgenia Popowa Animation: Benjamin Swiczinsky VFX: Gerd Zimmermann Executive Producers: Martin Schwanzer, Caroline Schwanzer
Produzent:innen: Max Gruber

 

Hinaus, hinaus, hinaus. In seiner Schaffensperiode von 1947 bis 1975 baute Karl Schwanzer Gebäude auf der ganzen Welt. Die vielstimmige filmische Annäherung an den Architekten eröffnet durch Archivmaterialien, Animation, Dokumentation und Inszenierung auch die Möglichkeit, Stadt und Raum wahrzunehmen wie Schwanzer selbst: in ständiger Wechselwirkung mit dem Menschen.

Karl Schwanzer war ein Gegner des Offensichtlichen, Einheitlichen und Eindimensionalen. Bravsein und Nachahmung seien keine Herausforderungen – im Nonkonformismus und im kritischen Denken liege laut ihm die Zukunft. Als Architekt sah er seine Spezialisierung in der Mehrgleisigkeit, die ins Weite führt. Hinaus, hinaus, hinaus – um die Welt in sein Hirn zu lassen und sie in Wien wieder rauszulassen. Das Wien der 1960er-Jahre jedoch war ein gnadenloser Gegner – melancholisch zurückblickend klammerte es sich an alte Baustrukturen und den Erhalt eines vergangenen Lebens. Diese Stadt, in der das Denkmalamt thronte und die Dachlandschaft zur Mumie werden ließ, forderte Schwanzer als Koryphäe sowie als „Urwiener“ kontinuierlich heraus.
Karl Schwanzer, geboren 1918, baute in seiner nur 28-jährigen Schaffensperiode von 1947 bis 1975 knapp sechshundert Gebäude auf der ganzen Welt, etwa das Philips-Haus (Wien 1964), das BMW-Hauptgebäude (München 1973) und die Österreichische Botschaft in Brasília (1975). Neue Zeiten und neue Ideen verlangen seiner Meinung nach zeitgemäße Formen: Kleeblätter, Glaskugeln, Pyramiden – Fremdkörper der Zukunft aus Stahl und Beton.
Schwanzer war jedoch nicht nur ein Visionär, sondern auch ein großer Zweifler und ein endlos Suchender. Trachtend nach der ständigen Verbesserung wusste er auch, dass Vollkommenheit nicht möglich ist. Der Perfektionist, der mit seinen fanatischen Ideen mehr wollte und so viele herausforderte, stand oft allein im Abseits.
Er flog voraus – Karl Schwanzer | Architektenpoem ist nicht nur eine Annäherung an die Person Karl Schwanzer, sondern auch ein Perspektivenwechsel in dessen Sinne. Mehrfarbig, auf Gegenwärtiges reagierend, in die Ferne blickend eröffnet der Film eine Möglichkeit, die Potenziale und Visionen, vor allem aber auch Stadt und Raum wie Schwanzer selbst wahrzunehmen: in ständiger Wechselwirkung mit dem Menschen. Ein Blick, der nicht beim fertigen Gebäude endet, sondern ergründen will, wie der Raum den Menschen zukünftig leben lässt – Architektur im Auftrag der Geschichte.
Durch die Verschränkung von Dokumentation, Archivmaterial, Animation und Inszenierung entsteht ein vielstimmiges Porträt, das unterschiedliche Blickpunkte auf Schwanzer verflicht. Nicholas Ofczarek, der den Architekten verkörpert, aber als sichtbare Imitation auch zu dessen Kommentator wird, „zeigt Schwanzers meisterhaftes Spiel und auch, dass wahre, virtuose Leichtigkeit aus den geheimnisvollen Tiefen der Seele schöpft, in die sich niemand gefahrlos begibt“.
(Katalogtext, lh)

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