Diagonale
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Masking Threshold
Spielfilm, AT 2021, Farbe, 90 min., eOmdU
Diagonale 2022

Regie, Szenenbild: Johannes Grenzfurthner
Buch: Johannes Grenzfurthner, Samantha Lienhard
Darsteller:innen: Ethan Haslam, Katharina Rose, Johannes Grenzfurthner
Kamera: Florian Hofer
Schnitt: Johannes Grenzfurthner, Florian Hofer
Originalton: Lenja Gathmann
Musik: Tina "Tina 303" Grünsteidl, Mathias Augdoppler
Sounddesign: Lenja Gathmann
Weitere Credits: Casting: Julianne Gabert Digital FX: arx anima Praktische Effekte: Martin Nechvatal, Steve Tolin, Roman Braunhofer, Thomas Kranabetter, Franz Ablinger
Produzent:innen: Günther Friesinger, Günther Friesinger, Julianne Gabert, Jasmin Hagendorfer, Johannes Grenzfurther
Produktion: monochrom OG

 

Ein unter Phantomgeräuschen leidender Informatiker kapselt sich in seinem Zimmer von der Welt ab, um seiner Erkrankung auf die Schliche zu kommen. Johannes Grenzfurthner inszeniert das folgende Ich-Experiment als eskalierendes Horror-YouTube-Video und hinterfragt das moderne Nerdtum und die Unerträglichkeit des Seins. Ein unendlicher Fall, eine Dauerbeschallung, ein Klagelied. Ein Film wie eine Teufelsleiter in das Gefängnis unserer Zeit.

Horror im 21. Jahrhundert. Wer sich immer schon gefragt hat, wie der viel zitierte Elfenbeinturm von innen aussieht, wird in Masking Threshold fündig. In diesem Fall lebt dort ein an allem (ver-)zweifelnder IT-Experte, der sich aufmacht, seinem Tinnitus nachzuspüren. Er klickt sich durch die Untiefen des Internets und vollführt Experimente an der Grenze zwischen Einbildung und Wissenschaft. Dabei wagt er sich immer weiter in Extreme vor, die seinem existenzialistischen Ekel eine körperliche Dimension verleihen.
Vor unseren Augen – und vor allem in unseren Ohren – fällt der Ich-Erzähler auseinander, verliert sich zunehmend in den Neurosen unserer Zeit. Verschwörungen, Isolation und ein penetrantes Surren, das glaubt, alles besser zu wissen, erinnern dabei an die dominanten Modi fehlgeleiteter Kommunikation im Zeitalter von Social Media. Der Informatiker hat zu allem eine Meinung: Journalismus, Wissenschaft, Politik, Religion. Er kennt sich aus, glaubt er, verliert die Kontrolle, weil er alles kontrollieren will. Mit ihm und seinen nervösen, aggressiven und sich abgrenzenden Seelenzuständen befindet sich Masking Threshold auf dem unbarmherzigen Abstieg in die Hölle des Seins. Die monologische Erzählweise macht den existenziellen Schmerz des einsamen Menschen greifbar und entfremdet sich zugleich subtil von dessen Leidenspropaganda. So wird die Begegnung mit dem Protagonisten zur Prüfung der eigenen Empathiefähigkeit. Die Krankheit, sein schwieriges Leben, all das nimmt man wahr, aber will und kann man ihm überallhin folgen? „Sei nicht wie mein Protagonist. Sei besser“, sagt Grenzfurthner über diese Hauptfigur, die gerade durch ihre herausfordernde Haltung einen Nerv trifft.
Der Film selbst baut sich als endloses YouTube-Video auf. Gringe und blanker Horror inklusive. Nur die Töne und Bilder des physischen und psychischen Verfalls rücken im Vergleich zum Internet ungewohnt nahe: Großaufnahmen von vergammeltem Essen, tote Tiere, das unerträgliche Rascheln von Plastikverpackungen und die hissenden, schmatzenden, kratzenden Töne des Mannes, der oft mehr mit sich selbst als mit seinen potenziellen Zuschauer*innen spricht. Tatsächlich erinnert der sich hemmungslos den Matrjoschka-Prinzipien des Internets hingebende Film an die gefühlt grenzenlos an- oder absteigende Shepard-Skala in der Musik: ein unendlicher Fall, eine Dauerbeschallung, ein Klagelied – eine Teufelsleiter in das Gefängnis unserer Zeit.
(Katalogtext, ph)

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