Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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Der schönste Tag
Dokumentarfilm, AT 2021, Farbe, 112 min., OmeU
Diagonale 2021

Regie, Buch: Fabian Eder
Darsteller:innen: Aba Lewit, Heinz und Theo Krausz, Edith Walter und Valerie Schieder, Ines und Adrian Kluger, Hannah Lessing, Doron Rabinovici, Hannes Sulzenbacher u. a.
Kamera: Astrid Heubrandtner, Richi Wagner, Carlo Hofmann
Schnitt: Esther Fischer
Originalton: Stefan Rosensprung
Musik: -
Sounddesign: Stefan Rosensprung
Szenenbild: Rudolf Czettel
Weitere Credits: Produktionsleitung: Doris Leitner
Produzent:innen: Fabian Eder, Katharina Stemberger
Produktion: Backyard – Manufaktur für Film

 

Am 11. März 1938 wird Österreich zum ersten Opfer des Nationalsozialismus – jedenfalls verkündet das eine Ausstellung, die 1978 in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau eröffnet und vierzig Jahre später schließt. Der schönste Tag zeigt das Ringen um ein neues Konzept, das zugleich auch die Frage nach dem Selbstverständnis der Republik aufwirft. Fabian Eder betritt mit seinem Film ein verwinkeltes Panoptikum der Narrative. Welche Geschichte soll überdauern, wie viel Ehrlichkeit ist zumutbar?

Das Setting ist schlicht: Zwei Menschen sitzen sich in einem Zugabteil gegenüber. Die Fahrt ohne bestimmtes Ziel wird zum Zwischenraum und gleichzeitig zur Metapher – es gibt Gelegenheit, über Dinge zu sprechen, die man vielleicht sonst lieber für sich behält, Fragen zu stellen, die man sich nicht zu fragen traut. Wie war das damals, 1938, als Österreich Teil Deutschlands und damit des NS-Staates wurde? Die Antworten reichen vom beleidigten Mädchen, dem Hitler in Wien nicht die Hand schüttelte, bis hin zu Aba Lewits Erinnerungen an die eigene Flucht und Deportation. Gemeinsam ist allen: das Schweigen nach Ende des Krieges. „Zugedeckt“, so bezeichnet eine Dame den Umgang der österreichischen Gesellschaft mit der eigenen, damals noch jungen Vergangenheit.
„Wenn du der Meinung bist, Österreich ist das erste Opfer Hitlers, dann muss man die Leichenberge in den Boden stampfen“, sagt Autor Doron Rabinovici. „Anders geht es nicht.“ Die Jüdinnen und Juden störten das Bild einer mehr oder weniger unschuldigen annektierten Nation. Dennoch ist dies lange Zeit das Narrativ der Wahl. Im Jahr 1978 eröffnet eine Ausstellung in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, auf den Pappwänden steht zu lesen: „11. März 1938: Österreich – Erstes Opfer des Nationalsozialismus“. Fabian Eders Der schönste Tag beginnt mit einer buchstäblichen Demontage: Zur Rede Hitlers, im März 1938 auf dem Wiener Heldenplatz gehalten und von frenetischem Applaus der Massen begleitet, zerlegen ein paar Männer die alten Aufsteller. Was bleibt von ihnen? Was wird künftig an ihre Stelle treten?
Hannah Lessing, Generalsekretärin des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus und mitverantwortlich für eine Neuausrichtung der Ausstellung in Auschwitz-Birken­au, berichtet von einem Gespräch mit ihrem Vater. Was könne sie in ihrer Position heute für ihn tun? Seine Gegenfrage: Ob sie ihm die Kindheit zurückbringen könne, die verlorenen Verwandten? Derweil präsentiert Eder eine Bestandsaufnahme Österreichs heute: halbherzige Gedenkveranstaltungen, bierselige Feste zu Ehren gefallener Soldaten, im Verschwinden begriffene jüdische Friedhöfe. Auch den von rechter Seite populärer werdenden Wunsch nach einem Ende vermeintlich überzogener Erinnerungskultur. Der schönste Tag betritt ein Panoptikum der Narrative. Und zeigt in seiner offenen Form auch zurück auf uns selbst: Welche Geschichten erzählen wir uns eigentlich? Woran entscheiden wir uns zu glauben?
(Katalogtext, cw)

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