SPACE DOGS
Dokumentarfilm, AT/DE 2019, Farbe+SW, 91 min., 26.3. OmeU / 27.3. OmdU
Diagonale 2020
Regie: Elsa Kremser, Levin Peter
Buch: Elsa Kremser, Levin Peter
Kamera: Yunus Roy Imer
Schnitt: Jan Soldat, Stephan Bechinger
Originalton: Simon Peter, Jonathan Schorr
Musik: John Gürtler, Jan Miserre
Sounddesign: Jonathan Schorr
Weitere Credits: Sprecher: Alexey Serebryakov
Produzent:innen: Elsa Kremser, Levin Peter, Annekatrin Hendel
Produktion: RAUMZEITFILM
Koproduktion: IT WORKS! Medien (DE)
Diagonale’20 – Die Unvollendete. Die Diagonale’20 wurde aufgrund der behördlichen Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 abgesagt.
SPACE DOGS erzählt von der Hündin Laika – dem ersten Lebewesen im All – und ihren Nachfahren in den Straßen Moskaus. Ein dokumentarisches Märchen, verwoben mit Archivmaterial aus den Versuchslaboren sowjetischer Raumfahrtmissionen. Die Erkundung eines unbekannten Kosmos geht mit einer außergewöhnlichen Raum-Zeit-Erfahrung einher: SPACE DOGS wird zum kinematografischen dog’s space, einem Blick auf die Welt aus Sicht der Hunde.
Eine himmelblaue Leinwand, durch die blitzartig weiße Wolken ziehen und donnernd das monotone Rauschen der Tonebene durchbrechen. Kein Horizont, keine Orientierung. Nur das Gefühl, sich mit rasantem Tempo durch den Raum zu bewegen, der sich zu unirdisch klingendem Synthesizer-Score verdunkelt, bis sich die gleißende Aureole eines runden Lichtkörpers aus dem Schwarz herausschält und eine vage Verortung in den ort- und zeitlosen Weiten des Weltalls ermöglicht. Die Erhabenheit, mit der die Kamera schwerelos um die eigene Achse rotiert, währt nicht lang – wie Ikarus’ verwegener Höhenflug in Sonnennähe mündet auch diese Reise im Fall auf den unbarmherzigen Erdboden.
SPACE DOGS erzählt nicht nur die Geschichte der Moskauer Straßenhündin Laika, die Ende der 1950er-Jahre im Rahmen eines sowjetischen Raumfahrtprogramms als erstes Lebewesen ins All geschossen wurde, wo sie monatelang leblos umhertrieb: Märchenhaft reflektiert von einer außerweltlich anmutenden Erzählerstimme und verwoben mit Archivmaterial, das die qualvollen Prozeduren zeigt, mit denen die tierischen Kosmonauten auf ihre Mission vorbereitet werden sollten, begleitet der Film auch die stolzen Nachfahren der ersten Weltraumpionierin, deren Geist, so die Legende, noch heute durch die nächtlichen Straßen Moskaus streunt. Die (film-)technischen Neuerungen ganz in den Dienst der Hunde stellend folgt Yunus Roy Imers Kamera einem verwilderten Rudel – stets auf wortwörtlicher Augenhöhe mit den Vierbeinern – auf seinen Streifzügen durch die Randbezirke der russischen Metropole, in der sich mittlerweile keine Heldenerzählungen mehr finden lassen.
Konsequent aus der Perspektive der Hunde erzählt und die vermeintliche Krone der Schöpfung, der auch die Tiere nur mit Gleichgültigkeit begegnen, aus dem Fokus verbannend arbeitet SPACE DOGS an der Auflösung nicht nur eines anthropozentrischen Blicks, sondern auch der Träume und Moralvorstellungen, die der Mensch auf seinen angeblich „besten Freund“ projiziert. Mit Laikas Schicksal, der Geschichte einer Selbstüberhöhung, die nicht selbstgewählt, sondern dem politisch motivierten technischen Fortschrittsdrang der Zeit geschuldet war, etablieren Elsa Kremser und Levin Peter bereits in der Exposition den spektakulären Wahrnehmungsmodus, auf den sich das Publikum im weiteren Verlauf des Films einlassen darf: ein Gefühl des Geworfenseins in einen fremden Kosmos, die Erkundung eines unbekannten Welt-Raums und einer unvertrauten Existenzweise, die mit einer außergewöhnlichen Raum-Zeit-Erfahrung einhergeht. SPACE DOGS wird zum kinematografischen dog’s space, einem Blick auf die Welt aus Sicht der Hunde, einem Raum in der russischen Gegenwart, der viele Hundeleben beheimatet.
(Katalogtext, mk)