Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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Fehlschuss
Spielfilm, AT 1976, Farbe, 115 min.
Diagonale 2017

Regie: Rainer Boldt
Buch: Herbert Brödl, Alexander Steffen
Darsteller:innen: Wolfgang Ambros, Jan Kickert, Franz Buchrieser, Pola Kinski, Emanuel Schmied, Hanno Pöschl
Kamera: Xaver Schwarzenberger
Schnitt: Marie Homolkova
Musik: Alexander Steffen

 

Wir schreiben die 1950er-Jahre in der noch sehr ruralen Wiener Vorstadt. Der Songwriter-Superstar des Austropop, Wolfgang Ambros, mimt seine einzige Film-Hauptrolle: einen weltschweren Fabriksarbeiter, der vom großen Ruhm als Fußballer träumt. Seine Freundin und Werkskollegin (Pola Kinski) sowie Franz Buchrieser als Strizzi und Preisboxer stehen ihm auf dem steinigen Weg bei. Ein samtweicher, verlorener Klassiker auf den Spuren von De Sica und Olmi. Fehlschuss, von dem nur noch das Originalnegativ existiert, wurde vom Filmarchiv Austria für die Diagonale komplett restauriert.

James Dean flext weltschwer am Giganten-Plakat vorm Beislkino die Muskeln. Den Itsy-Bitsy-Strandbikini trägt man nur im lokalen Steinbruch. Fußball und Wetttanzen einmal im Monat, das ist hier das Größte. Fußball ist auch die Leidenschaft des jungen Hacklers Jakob Ceron, der mit seiner Familie frisch in die Arbeitersiedlungen der Krieau zieht, damals noch eine ländliche Gstätten ohne jeden urbanen Anspruch. Und Fußball ist dann auch sein großer Traum, um es irgendwann hier raus zu schaffen. Einmal nur mit einer richtigen Mannschaft bei den großen Kickerln in Maribor und sonst wo dabei sein. Der schweigsame Schüchti Jakob, eine einzige wandelnde Dackelfalte, wird unzufällig gemimt vom 24-jährigen Wolfgang Ambros in seiner einzigen Hauptrolle. Fünf Jahre zuvor, 1971, hatte Ambros als Wolfsgrabner Bob Dylan mit seinem Debütsong „Da Hofa“ die Austro-Pop-Lawine losgetreten, deren König er in den Folgejahren werden sollte. Vom launischen Überschmäh – von „Zwickt’s mi“ bis „Schifoan“ – ist in Fehlschuss allerdings nichts zu spüren. Ambros bleibt kleinlaut, wortkarg, im besten, charmantesten Sinne bescheiden, so wie diese großartige Wiederentdeckung des österreichischen Kinos insgesamt auftritt: Zwischen Donauauen und Marchfeld, Margaretener Rotlicht und pannonischer Wochenendpampa lässt Fehlschuss das neoveristische Arbeiterkino rot-weiß-rot glimmen und muss sich kein bisschen vor seinen großen Vorbildern Vittorio De Sica, Ermanno Olmi und Valerio Zurlini verstecken. Schon der große britische Regisseur Nicolas Roeg, der oft Popsterne zu seinen Hauptprotagonisten machte, Mick Jagger in Performance, David Bowie in The Man Who Fell to Earth, Art Garfunkel in Bad Timing, verwendete deren Nichtspiel inmitten mimischer Profis bewusst, um sie als Fremde im fremden Land erscheinen zu lassen, als Geworfene und Isolierte. Beim Deutschen Rainer Boldt erscheint gleich das ganze Fabrikarbeiterumfeld wie eine verlorene Generation, die Ambros als linkischer Abklatsch von John Wayne durchstolpert. Glück auch, dass ihn Werkskollegin Marina (Pola Kinski in einer raren Rolle) lieb gewinnt und die eifersüchtelnden Vorstadt-Heavies (Hanno Pöschl, Austro-Pop-Kollege Franz Morak) nicht zu fest zuschlagen. Noch schöner, dass ihn der Zemky (der spätere Kottan Franz Buchrieser in seinem Debüt), ein verlauster Preisboxer, unter seine Managementfittiche nimmt. Dieser Strizzi schreckt nicht mal vorm Klau einer Kinokasse zurück, um Jakob – „dem Buam“ – die große Chance bei „Inter Wacker Wien“ mit Schmiergeld zu eröffnen. Dazu die sagenhaft sensible Kameraführung von Xaver Schwarzenberger, der Gramatneusiedl wie die Gärten der Finzi-Contini aufleuchten lässt. Rainer Boldt, Gast der Berliner Filmakademie, galt in den 1970er-Jahren als einer der jungen Wilden im Wiener Kinoschaffen. Nach aufsehenerregenden, provokanten Werken wie Menschenfresser und der Hermann-Broch-Verfilmung Esch oder die Anarchie wurde Boldt dank seines Serienerfolgs Neues aus Uhlenbusch zunehmend vom Kommerzfernsehen aufgesaugt.
(Katalogtext, Paul Poet)

Austro-Pop-Film
Starschnitt-positionen zum österreichischen Kino (1976–1985) Falco war gestern. Die Gegenwart heißt Wanda, Bilderbuch und Voodoo Jürgens. Dreißig Jahre nach den Welthits des Johann Hölzel schickt sich Österreich wieder an, eine Pop-Nation zu werden. Den Hype zum Anlass nehmend blickt das Filmarchiv Austria zurück: auf die erste große Welle des Austropops, als lokale Sängerikonen wie Ambros, Fendrich und Hansi Lang nicht nur die Charts hochrasten, sondern auch die Kinoleinwände bevölkerten – mit durchaus sehenswerten Ergebnissen. Bonustrack: zwei filmische Zeitkapseln als aus dem ORF-Archiv.

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