Das erste Jahrhundert des Walter Arlen
Dokumentarfilm, AT 2018, Farbe, 94 min., 20.3. OmeU / 24.3. OmdU
Diagonale 2019
Regie, Buch: Stephanus Domanig
Darsteller:innen: Walter Arlen
Kamera: Birgit Gudjonsdottir, Astrid Heubrandtner, Martin Putz, Harald Staudach
Schnitt: Lisa Zoe Geretschläger
Originalton: Franz Moritz
Sounddesign: Franz Moritz
Produzent:innen: Peter Janecek, Stephanus Domanig
Produktion: Plaesion - Film + Vision
Ein seltenes Stück Zeitgeschichte
und ein zutiefst anrührendes Porträt
Walter Arlens, der 1939 von den Nazis
aus Wien ins amerikanische Exil
vertrieben wurde. Der Film begleitet
den 98-jährigen Komponisten –
auch auf seiner Reise zurück in die
einstige Heimat. Nicht nur in Gesprächen
erzählt Walter Arlen seine
bewegende Geschichte: Die Trauer
über Verluste, durchlebte Ängste
und Traumata, die Erfahrung des Exils – all das ist Teil seiner Musik,
die Stephanus Domanig feinsinnig
in den Film einwebt.
Dass Walter Arlen bereits 98 Jahre alt ist, fällt
schwer zu glauben. Stephanus Domanig begleitet
in diesem filmischen Porträt den in Wien geborenen,
äußerst beweglichen und wortgewandten Komponisten,
der 1939 vor den Nazis fliehen musste und fortan
im amerikanischen Exil lebte, auch auf dessen Reise
zurück nach Wien, in die einstige Heimat. Dort lebte
Walter Arlen, schon als Kind der Musik zugewandt,
mit seiner Familie über dem berühmten Warenhaus
Dichter, das der Großvater gegründet hatte. Es sind
hellwache, detailreiche Erinnerungen an ein Leben,
das von einem Tag auf den anderen auseinanderfiel:
Im März 1938 drangen SA-Männer in die Wohnung
der jüdischen Familie ein und verhafteten den Vater.
Das Geschäft wurde beschlagnahmt, und Walter
Arlen musste in dieser dunkelsten Zeit seine suizidale
Mutter, die Großmutter und die jüngere Schwester
umsorgen, bis er 1939 nach Chicago emigrierte.
Behutsam, niemals drängend wendet sich
der Film dieser außergewöhnlichen und beeindruckend
offenen Persönlichkeit zu. Nicht nur in den
Gesprächspassagen erzählt Walter Arlen seine
zutiefst bewegende Geschichte: Die Trauer über
Verluste, die durchlebten Ängste und Traumata, die
Erfahrung des Exils – all das ist Teil seiner Musik, die
Stephanus Domanig feinsinnig in den Film einwebt.
Dass die musikalischen Collagen von Walter Arlen,
der, zu einem Neuanfang gezwungen, über Jahrzehnte
als renommierter Musikkritiker für die „L.A.
Times“ schrieb, ihren Weg in die Öffentlichkeit und
schließlich auch auf die Bühne des Wiener Konzerthauses
fanden, ist nicht zuletzt dessen Lebensgefährten
Howard Myers und dem Zentrum exil.arte der
Universität für Musik und darstellende Kunst Wien
zu verdanken. Ein seltenes Stück Zeitgeschichte
und ein zutiefst anrührendes Porträt des Exilkomponisten,
der in der Sprache der Musik ein innerstes
Gefühl auszudrücken vermag.
(Katalogtext, jk)
Die Lebensgeschichte Walter Arlens ist erstaunlich.
Genauso erstaunlich wie die körperliche und
geistige Fitness des heute 98-Jährigen. Und Walter
Arlen kann wunderbar erzählen. Geschichten aus
einer Zeit, die wir nahezu nur durch Schwarz-Weiß-
Bilder kennen und die so weit zurückzuliegen scheint.
Er erinnert sich: präzise und berührend. Selten
genug stimmt der Satz: „Über die (oder den) sollte
man einen Film machen“ – etwas, was Filmmenschen
oft im Freundes- und Bekanntenkreis zu hören
bekommen. Bei Walter Arlen stimmte er – zumindest
für mich.
(Stephanus Domanig)