Diagonale
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Festival des österreichischen Films
4.–9. April 2024, Graz

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Brüder der Nacht
Dokumentarfilm, AT 2016, Farbe, 88 min., OmdU
Diagonale 2016

Regie, Buch, Schnitt: Patric Chiha
Kamera: Klemens Hufnagl
Originalton: Atanas Tcholakov
Sounddesign: Atanas Tcholakov
Weitere Credits: Regieassistenz: Marlies Faulend & Denise Teipel, Zweite Regieassistenz: Svetlomir Slavchev, Tonmischung: Alexander Koller, Farbkorrektur: Andi Winter, Schnittassistenz: Lisa Geretschläger
Produzent:innen: Ebba Sinzinger, Vincent Lucassen
Produktion: WILDart FILM

 

Wenn es dunkel wird über der Donau: Brüder der Nacht taucht in die Lebensrealität bulgarischer Roma ein, die in Wien als Stricher arbeiten. An irreal stilisierten „Nicht-Orten“ bietet Patric Chiha seinen Protagonisten eine Bühne, auf denen sie Gangster oder Verführer spielen, auf der sie übertreiben, ihre Geschichte und sich selbst inszenieren. Ein schonungsloser, träumerischer und ästhetisierter Film, der seine Helden in all ihrer Schönheit feiert.

Wenn es dunkel wird über der Donau: eine Welt des Scheins, der Künstlichkeit, der Illusionen. Heruntergekommene Bars verwandeln sich in surreal stilisierte Bühnenräume, in denen junge Männer ihre schönen, fragilen Körper ausstellen. Sie lungern herum, posen, rauchen, trinken, reden, tanzen. Und sie verkaufen ihre Körper – an andere Männer. Die Szenerie ist ebenso theatralisch wie die dargebotenen Verkörperungen homoerotischer Phantasmagorien und Ikonografien: Der rebellische Wilde in schwarzer Lederjacke, die erotische Lichtgestalt des Matrosen, der Transvestit – Posen, Eleganz, Glanz. Patric Chihas schonungsloser, träumerischer und ästhetisierter Dokumentarfilm taucht in die Lebensrealität bulgarischer Roma ein, die sich in Wien als Stricher verdingen. Kein Film, der soziale Verhältnisse erklären will oder gar einen mitleidigen Blick auf das Milieu wirft – Brüder der Nacht feiert seine Protagonisten in all ihrer Schönheit und Größe. Patric Chiha bietet seinen Helden an irreal gestalteten, durch Gustav Mahlers schmerzlich-sehnsüchtige Sinfonien theatralisierten „Nicht-Orten“ eine Bühne – eine, auf denen sie Gangster oder Verführer spielen, auf der sie übertreiben, ihre Geschichte und sich selbst inszenieren können, ohne dass Authentizität und Spiel, Wahrheit und Lüge klar zu definieren sind. Wie bei den mehrheitlich heterosexuellen jungen Männern die Grenzen der Selbstdefinition durch Rollenspiel und schwulen Sex bisweilen verschwimmen, wird auch die Grenze zwischen Dokumentarischem und Fiktionalem fluid. Ihr Beruf und der Film teilen das Performative: Künstlichkeit, Oberflächen, Bewegungen, Schein – in der Realität der Stricher und des Mediums. Spiegel, Rahmen, Verfremdung. Jede Kadrage eine Komposition. Zur Betonung des Scheincharakters der Kulissen und Figuren sind die Handlungsräume in intensives komplementäres Licht, in gelb-orange- roten und blau-grünen Schimmer getaucht. Eine ästhetische Hommage auf das cinéma du look, frühe Technicolor-Musicals, Gangsterfilme und die Figuren Genets, Fassbinders, Angers und Pasolinis. Trotz aller Künstlichkeit – oder gerade durch sie – überträgt sich doch Wahrheit: ein Gefühl von Gemeinschaft, in der die Stricher für einen Moment jung, schön und frei im Hier und Jetzt leben können. Die Brüder der Nacht werden hier als bunte Schatten des Tages, des everyday life sichtbar – in einem zärtlichen Blick, an dem wir teilhaben, bis es wieder hell wird.
(Katalogtext, mk)

bruederdernacht.at, wildartfilm.com, filmrepublic.biz

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