Diagonale
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Bis ans Ende der Nacht
Spielfilm, DE 2023, Farbe, 120 min., OmeU
Diagonale 2024

Regie: Christoph Hochhäusler
Buch: Florian Plumeyer
Darsteller:innen: Timocin Ziegler, Thea Ehre, Michael Sideris, Ioana Iacob, Rosa Enskat, Aenne Schwarz, Gottfried Breitfuß, Sahin Eryilmaz, Ronald Kukulies
Kamera: Reinhold Vorschneider
Schnitt: Stefan Stabenow
Originalton: Jörg Kidrowski
Sounddesign: Rainer Heesch, Matz Müller
Szenenbild: Renate Schmaderer
Kostüm: Ulrike Scharfschwerdt
Produzent:innen: Bettina Brokemper
Produktion: Heimatfilm

 

Eine Wohnung als Bühne. Hier spielen der schwule Robert (Timocin Ziegler) und die trans Frau Leni (Thea Ehre) das Paar, das sie einmal waren und nicht mehr sind. Als verdeckte Ermittler:innen sollen sie einen Drogenboss überführen. Christoph Hochhäuslers exquisit fotografierter, divers besetzter und sensibel mit seinen Figuren umgehender Film, der auf der Berlinale einen Schauspielpreis gewann, findet zwischen Film noir und Beziehungsdrama à la Fassbinder einen eigenen, melancholischen Tonfall.

Da ist von Anfang an ein Gefühl der Distanz: Eine leere Wohnung wird eingerichtet, von vom Zeitraffer verwischten Gestalten, wie eine Bühne. Robert (Timocin Ziegler) und Leni (Thea Ehre) werden nur spielen, dass sie hier wohnen. In Wahrheit ermitteln sie verdeckt. Er arbeitet für die Polizei, ihr wurde für die Kooperation nach einer Verurteilung Straferlass in Aussicht gestellt.

Da ist von Anfang an ein Gefühl der Romantik: Ein alter Schlager von Heidi Brühl, Eine Liebe so wie du, begleitet den Vorspann. Eine solche Liebe könnte etwas für sie sein, singt die Sängerin, nur glaubt die andere Person nicht an die Liebe, tritt sie mit Füßen. Robert und Leni werden spielen, dass sie ein Paar sind. Was dadurch verkompliziert wird, dass der schwule Mann und die trans Frau früher tatsächlich zusammen waren, vor Lenis Transition. Die hat Robert ihr nie verziehen, sie hat noch immer Gefühle für ihn. Nun müssen sie sich zusammenraufen und einen Drogenhändler überführen, der sich jedoch als sympathisch herausstellt und mit dem sie sich anfreunden – ebenso wie mit dessen Partnerin.

Raffiniert kombiniert Christoph Hochhäusler das Genre des Film noir mit einer Beziehungsgeschichte. Liebe und Freundschaft werden über die Distanz, das Inszenierte, Künstliche (erneut) möglich, entstehen sozusagen undercover. Während gleichzeitig die Liebe immer wieder in demütigende Verletzungen umschlägt, wie bei Rainer Werner Fassbinder. Dessen In einem Jahr mit 13 Monden, von 1978 erweist Hochhäusler Reverenz, während er die Prämisse umkehrt: Bei Fassbinder lässt sich die Protagonistin aus Liebe zu einem Mann in eine Frau umwandeln, während Leni die Angleichung aus eigenem Willen vollzieht, gegen den Willen des Partners. So macht Hochhäusler aus Leni eine empowerte trans Person, deren Erfahrung nicht stigmatisierend und facettenreich nachgezeichnet wird. Für ihre Rolle gewann die österreichische Schauspielerin Thea Ehre auf der Berlinale 2023 einen Silbernen Bären, und überhaupt ist der von Reinhold Vorschneider exquisit fotografierte Thriller bis in die Nebenrollen hinein vor allem eins: gelebte Diversität. (Philipp Stadelmaier)

Diagonale Nachspann: Regisseur Christoph Hochhäusler im Gespräch mit Filmredakteur Andreas Busche (Tagesspiegel, DE) über Neo-Noir, Genrekino und Politiken des Arbeitens mit und über Film.

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